Sieg der Liebe
die ihr anmutig um die langen Beine flatterten, war sie die begehrenswerteste Frau, der er jemals begegnet war, eine Frau, so unergründlich und so wild wie der Ozean. Manchmal, wenn sie ihn ansah, erkannte er den Schmerz, den er ihrer Seele zugefügt hatte.
„Es macht dir doch nichts aus, Liebster?“ fragte sie noch einmal. „Du weißt, daß ich bei Captain Barker sicher sein werde.“
Widerstrebend nickte Michel und ließ sie am Arm eines anderen Mannes zurück.
Teilnahmslos schob Jerusa mit ihrem Löffel den Pudding auf dem Teller herum und hoffte, daß Captain Barker nicht bemerkte, wie wenig sie davon gegessen hatte. Seiner Größe zum Trotz war Barkers Appetit so mächtig wie seine Stimme, und er war sehr stolz darauf, daß der Koch der Swan einen Gang nach dem anderen servierte, um seine Tafel zu zieren.
Sie hatte Barker schon enttäuscht, als sie das Rebhuhn ablehnte, und daß er ihr von dem Pudding auffüllte, gestattete sie nur, damit er nicht wieder erklärte, sie würde weniger essen als ein Spatz.
Dabei hätte sie hungrig sein müssen. Sie hatte den ganzen Tag damit verbracht, Barker über die Swan zu folgen, war Gangways hinuntergestiegen und hatte in die Takelage hinaufgespäht, während er stolz auf jede Einzelheit der kleinen Brigg hinwiesen hatte. Aber obwohl sie an den richtigen Stellen gelobt und gestaunt hatte, hatte sie doch kaum etwas von seinen Erklärungen mitbekommen. Was Michel ihr gesagt hatte, lastete ihr zu schwer auf der Seele.
Sie wagte es jetzt, ihn über den Tisch hinweg anzusehen. Aufmerksam hörte er einer nicht enden wollenden Abenteuergeschichte des Kapitäns zu, oder wenigstens tat er so, genau wie sie. Michel hatte sich rasiert und umgezogen. Das Haar hatte er mit einem schwarzen Band zurückgebunden. Wieder war er der vorbildliche Mr. Geary, und er sah blendend aus. Wie konnte er bloß so gleichmütig dasitzen, nach allem, was er ihr erzählt hatte?
Tränen stiegen ihr in die Augen, und mit einer plötzlichen Bewegung schob sie den Stuhl zurück. „Bitte entschuldigen Sie, Gentlemen“, sagte sie hastig, als drei Männer sich gleichzeitig erhoben. „Ich ... ich glaube, ich brauche etwas frische Luft.“
„Laß mich dich begleiten, Liebes“, bot Michel an und legte seine Serviette auf den Tisch. Doch sie schüttelte den Kopf, ohne Michel anzublicken.
„Das ist nicht nötig, Michael“, entgegnete sie. Gerade noch rechtzeitig hatte sie daran gedacht, seinen Namen englisch auszusprechen. „Bleib ruhig noch. Ich komme schon allein zurecht.“
An Deck klammerte sie sich mit beiden Händen am Hauptmast fest. Sie atmete die kühle Nachtluft ein und versuchte, ihre verwirrten Gefühle zu ordnen. Sie liebte Michel - daran hatte sich nichts geändert -, und tief im Herzen glaubte sie, daß auch er sie gern hatte. Aber obwohl er es ihr oft gezeigt hatte, hatte er ihr nie gesagt, daß er sie liebe. Statt dessen hatte er erklärt, daß er geschworen habe, ihren Vater zu töten.
Fröstelnd rieb sie sich die Schultern. Tränen stiegen ihr wieder in die Augen, als sie sich an Michels Miene erinnerte. Wenn sie ihn nur dazu bringen könnte, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Alles, was vor so langer Zeit geschehen war, hatte doch nichts mit ihnen zu tun!
„Mrs. Geary?“
Rasch wischte sie sich mit dem Handrücken die Tränen ab, ehe sie sich zu George Hay umdrehte. Er stand verlegen oben an der Gangway und drehte seinen Hut in den Händen.
„Ist alles in Ordnung, Madam?“ fragte er. „Ich möchte mich nicht in Ihre Angelegenheiten mischen, aber als Sie die Kapitänskajüte so schnell verließen - wunderte ich mich schon sehr.“
Jerusa lächelte verkrampft. „Ich danke Ihnen für Ihre Besorgnis, aber es geht mir gut. Ich wollte gerade zurückkommen, als Sie auftauchten.“
Sie ging zur Gangway, doch er verstellte ihr den Weg. „Ich meinte nicht nur jetzt, sondern überhaupt, Madam. Mir scheint, zwischen Ihnen und Mr. Geary steht nicht alles zum Besten, und wenn es etwas gibt, was ich tun kann, nun, Madam, lassen Sie es mich wissen. “
Befremdet sah sie ihn an und dachte an Michels Warnung. „Haben Sie die Angewohnheit, sich in Eheangelegenheiten einzumischen, Mr. Hay?“
„Wenn ich der Meinung bin, daß die Lady einen Freund braucht, dann schon, ja.“ Hay suchte in seiner Tasche, bis er ein zerknülltes Blatt Papier fand. Er strich es über seinem Schenkel glatt, ehe er es ihr reichte. „Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie bitte, dies hier zu lesen, Madam. Und
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