Sieg des Herzens
Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie sind hier nicht mehr bei der Miliz und können die Dinge nicht mal eben selbst in die Hand nehmen. Hier gibt es eine Organisation...«
»Ich werde Sie da nicht mit reinziehen, LeBlanc, also brauchen Sie sich auch keine Sorgen zu machen. Und wenn es rauskommt, streite ich ab, daß Sie etwas davon gewußt haben.«
»Aber, Sir, Sie brauchen Soldaten, um einen Versorgungszug einzunehmen...«
»Nicht immer, Dan, nicht immer«, sagte Julian und blickte zu Henry Lyle hinüber, der ganz seiner Meinung war. Sie bräuchten nur noch Liam und drei gute Pferde.
»Sie sind sehr unvorsichtig, Sir. Sie, als einer der wenigen Ärzte hier, dürfen Ihr Leben nicht einfach so aufs Spiel setzen...«
»Ich tue es, weil ich Arzt bin, LeBlanc. Und ich glaube, daß es das Risiko wert ist, wenn wir dadurch endlich wieder Morphium für unsere Verwundeten bekommen...«
Im Alten Kapitol bekam Sydney eine eigene Zelle, und die Yankees, die sie bewachten, konnten es kaum erwarten, ihr mitzuteilen, daß auch die Spionin Rose Greenhow schon einmal darin untergebracht worden war. Es war nicht gerade komfortabel, und Sydney fühlte sich schlecht, weil sie gefaßt worden war. Außerdem machte sie sich furchtbare Sorgen darüber, was passieren würde, wenn ihre Familie davon erfuhr. Und Jesse - dieser Mistkerl! - hatte sie einfach nur bis zum Gefängnis begleitet, für ihre Gefangennahme unterzeichnet und sie dann allein gelassen. Bis zum Schluß war er unnachgiebig geblieben - und eiskalt.
Bei dem Gedanken, daß man sie hier womöglich für den Rest des Krieges festhalten würde, bis sie vermodert war, hätte sie ihm am liebsten die Augen ausgekratzt. Dann überlegte sie, daß ihr Vater und ihre Brüder niemals zulassen würden, daß sie so lange gefangengehalten wurde, sondern versuchen würden, sie hier rauszuholen; auch wenn sie dabei ihr Leben riskierten. Eine Lösung des Dilemmas könnte nur Ian erreichen, aber der war ja an der Front. Von dieser Seite war also keine Hilfe zu erwarten. Ihr einziger Trost waren die Soldaten im Alten Kapitol.
Aber an sich ging es ihr ganz gut, sie ertrug nur das Eingesperrtsein schlecht. Sergeant Granger hatte dafür gesorgt, daß sie regelmäßig frische Bettwäsche und anständiges Essen bekam.
In der ersten Nacht hatte sie natürlich niemanden mehr sehen dürfen, aber am folgenden Nachmittag hatte man ihr gestattet, sich mit den anderen Gefangenen zu treffen. Anderson entschuldigte sich tausendmal dafür, daß er sie in diese mißliche Lage gebracht hatte, und sagte ihr immer wieder, sie solle ihn der Gefängnisleitung als denjenigen melden, der sie angestiftet hatte - vielleicht könnte sie aushandeln, für diese Information zurück in den Süden geschickt zu werden.
Aber sie wollte ihn unter keinen Umständen verraten, und ihr war klar, daß auch ihre Familie nicht gutgeheißen hätte, jemanden anders ans Messer zu liefern, nur um selbst freizukommen. Schließlich gelang es ihr, Anderson so weit zu beruhigen, daß er nicht ständig wieder davon anfing.
Am zweiten Tag ihres Gefängnisaufenthalts saß sie gerade an einem Tisch im Innenhof, während die Männer ihre Runden drehten, als sie sich an Lawtons Fuß erinnerte.
»Junger Mann«, sagte sie zu ihm, als er mit seinen Krücken bei ihr vorbeikam, »Sie hinken ja immer noch. Und da ich heute nichts anderes vorhabe, werde ich mir Ihren Fuß jetzt mal etwas genauer ansehen.« Als sie merkte, wie erschrocken er zurückwich, fügte sie aufmunternd lächelnd hinzu: »Zeigt her eure Füßchen!«
»O nein, Ma'am...«
»Nicht schon wieder diese Tour!« protestierte Sydney.
»Aber...«
»Ihr Fuß, Gefreiter Lawton, bitte!«
»Sie haben doch gehört, was die Lady gesagt hat«, schaltete sich nun Leutnant Anderson ein, und es klang wie ein Befehl.
Mit unglücklichem Gesichtsausdruck hinkte der Gefreite Lawton näher an ihren Tisch heran und stellte seinen verletzten Fuß mit einem Stöhnen auf einen Stuhl. Einer seiner Freunde half ihm, den Verband zu entfernen. Als Sydney den Fuß sah, würgte es sie regelrecht, und sie bezweifelte, daß selbst ihr Bruder Brent oder ihr Vetter Julian ihn noch hätten retten können. Die Kugel war glatt durchgegangen, aber winzige Kleidungsfetzen, Schmutz und Lederreste waren dabei in die Wunde geraten. Die Verletzung war nun eitrig und stank fürchterlich.
Als Lawton ihren Gesichtsausdruck sah, beeilte er sich zu sagen: »Es tut schon gar nicht mehr so weh wie am Anfang. Es
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