Sieg des Herzens
nicht...«
»Verarschen Sie mich nicht, Sir ... Entschuldigung!«
»Es ist schon in Ordnung. Sie haben recht, ich sollte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.«
»Es ist so kalt. Bitte halten Sie meine Hand.«
Julian nahm O'Rileys Hand, sie war eiskalt... Dann bewegte sie sich mit einemmal nicht mehr. Julian atmete tief durch und befreite sich aus dem Griff des toten Soldaten. Er hatte schon sehr lange nicht mehr geweint, aber nun hätte er heulen können.
»Ist der Mann tot, Doktor Reb?« fragte ihn Robert Roser, bevor er noch Julians Gesichtsausdruck gesehen hatte.
Dann fügte er entschuldigend hinzu: »Es tut mir leid, Sir, aber da draußen sind noch mehr Männer ... Hunderte.« Julian starrte ihn nur an, und Roser dachte, ihm eine Erklärung schuldig zu sein: »Sie haben einen Angriff gegen die Linien der Union gefahren. Eine dieser verdammt überflüssigen, sinnlosen Aktionen ... Für die Rebellen verlief es sehr schlecht. Sie wurden einfach...«
Er hielt inne, da ihm bewußt wurde, wie weh Julian tun mußte, was er ihm da berichtete.
»Fahren Sie fort«, sagte Julian.
»Es war ein einziges Gemetzel, Sir. Die Männer wurden abgeschlachtet wie Vieh.«
Julian schloß die Augen.
»Vielleicht sollten Sie sich ein wenig ausruhen, Sir. Auch Doktor McManus macht gerade eine Pause.«
»Nein, nein, es geht mir gut. Bringen Sie mir den nächsten.«
Mit den verwundeten Männern kamen auch weitere Neuigkeiten vom Schlachtfeld. Wie Roser gesagt hatte, war es ein regelrechtes Abschlachten gewesen. Picketts Männern war die vermeintliche Ehre zuteil geworden, gegen die Front der Union zu marschieren.
In der Vergangenheit hatten ähnliche Bravourstücke der Rebellen dem Süden häufig Siege über zahlenmäßig überlegene Einheiten der Unionstruppen beschert. Der Schlachtruf der Rebellen ging den meisten Yankees denn auch durch Mark und Bein, und es war durchaus richtig, daß den Konföderierten ihr Wagemut und ihre draufgängerische Art viele Vorteile verschafft hatten.
Aber an diesem Tag waren Picketts Männer gegen die Front Sturm gelaufen. Man hatte unablässig mit Kanonenkugeln auf sie geschossen, und sie waren gestorben wie die Fliegen. Und doch hatte man immer noch mehr in den Kampf geschickt. Schließlich war es ein paar von ihnen - den wenigen, die dem unerbittlichen Kugelhagel entkommen waren - sogar gelungen, die feindlichen Linien zu erreichen. Aber an der Linie der Unionstruppen hatte man auch sie gestoppt, und die, die nicht schon vorher gefallen waren, wurden nun von den wartenden Yankees mit Bajonettstichen und Schüssen aus nächster Nähe bedacht.
Die Yankees jubilierten über diesen Sieg, und das wohl auch mit gutem Recht: Sie hatten die Rebellen aufgehalten, und der Wagemut des Südens hatte einen Dämpfer bekommen. Aber als die Nacht hereinbrach, gab es nur ganz wenige, die den Sieg ohne ein Gefühl des Bedauerns feiern konnten. Die Toten lagen noch überall herum, und beide Seiten versuchten, ihre Gefallenen zu bergen, während es anfing zu regnen.
Irgendwann gegen Mitternacht begannen Julian die Hände zu zittern, und er konnte auch nicht mehr klar sehen. Wenn er weiterarbeitete, würde er den Verwundeten mehr schaden als nützen, weil er selbst so erschöpft war. Als man den Mann, der gerade auf seinem Operationstisch gelegen hatte, wegbrachte, verschränkte er die Arme auf dem Tisch und legte den Kopf darauf. Er schloß die Augen und schlief auf der Stelle ein, blutüberströmt, wie er war.
Bei Anbruch des nächsten Tages hatten die Konföderierten bereits damit begonnen, sich langsam, aber stetig gen Süden zurückzuziehen.
Julian war erstaunt, daß der Unionsgeneral Meade, der noch am Tag zuvor die Rebellen mit allen Mitteln bekämpft hatte und so das Feld bei Gettysburg behaupten konnte, keinen Versuch unternahm, die feindlichen Truppen zu verfolgen. Es war nicht nur Picketts Angriff gestoppt worden; es hatten sich daraus noch ganz andere Niederlagen ergeben, wie Julian später erfuhr: Lee, der große Kommandeur, dessen Name im Süden wie im Norden mit Ehrfurcht ausgesprochen wurde, hatte vor aller Augen geweint und den umstehenden Männern erklärt: »Das war alles nur meine Schuld, meine Schuld.« Damit lag die Moral der konföderierten Armee natürlich endgültig am Boden.
Die Bundestruppen hatten nicht nur in Gettysburg den Sieg davongetragen. Kuriere hatten gemeldet, daß Vicksburg, das schon seit Monaten von General Grants Leuten belagert wurde, ebenfalls gefallen war. Die
Weitere Kostenlose Bücher