Sieg des Herzens
überhaupt nicht. Statt dessen hob er den Vorhang seiner Kamera und blickte durch den Sucher, während er seinem Assistenten die Anweisung gab, einen der Soldaten etwas weiter nach rechts zu bewegen.
»Nein, nein, nein!« schrie er dann wütend und kam hinter der Kamera hervor. »So krieg ich sein Gesicht nie drauf, und gerade auf den Ausdruck seiner Augen kommt es doch an!«
Die Toten konnten sich nicht mehr wehren, aber auch der Verletzte nicht - wo immer er auch sein mochte. Wieder war das Stöhnen zu hören, aber der Fotograf ignorierte es auch weiterhin. Und so plazierte sich Julian direkt vor der Kamera des Mannes, als der gerade wieder eifrig hindurchsah. Abermals kam dieser hinter dem Vorhang hervor und richtete sich auf. Dann ließ er mit erhobener Augenbraue seinen Blick über Julians abgetragene, schlammbeschmierte Konföderiertenuniform gleiten und sagte: »Gehen Sie mir aus dem Weg, Mann!«
»Hier liegt irgendwo noch ein Verletzter, und Sie gehen mir jetzt besser aus dem Weg.«
Der Fotograf lachte laut auf und fragte die umstehenden Yankees: »Laßt ihr hier etwa einen Rebellen die Befehle geben, Jungs?«
»Nehmen Sie jetzt Ihre Leute und verschwinden Sie«, entgegnete statt dessen Julian. »Hier liegt noch ein Verletzter, den wir finden müssen.«
Wieder war das Stöhnen zu hören. Julian, der diesmal ungefähr lokalisieren konnte, woher der Laut kam, drehte sich um und stellte fest, daß es einer der vermeintlichen Toten sein mußte, die der Assistent des Fotografen für die perfekte Aufnahme in Position bringen sollte.
»Da, dieser Mann lebt noch«, sagte Julian, wies mit dem Finger auf einen Soldaten und sah dabei Robert Roser an.
»Lassen Sie ihn bloß, wo er ist. Er ist der Feind und in einer Stunde sowieso tot!«
Diese Worte kamen vom Fotografen und entfesselten in Julian einen wahren Sturm der Entrüstung. Er kam mit einer derart bedrohlichen Haltung auf den Fotografen zu, daß dieser wachsweiß im Gesicht wurde und erschrocken zurückwich. Aber nicht schnell genug.
Schon stand Julian vor ihm, fest wie ein Fels, und der Fotograf holte weit aus, um ihm eine zu verpassen. Julian duckte sich kurz, richtete sich sofort wieder auf und versetzte dem Fotografen nun seinerseits einen kräftigen Kinnhaken. Da kam auch schon der Assistent des Fotografen herbeigeeilt und stürzte sich auf Julian. Während Julian sich mit ihm prügelte, rappelte sich der Fotograf wieder auf und versuchte abermals, Julian eine zu verpassen. Aber in dem Augenblick drehte sich Julian weg, und der Fotograf erwischte seinen eigenen Assistenten.
Blitzartig drehte sich Julian wieder zu den beiden um, packte den etwas benommenen Assistenten am Kragen und stieß ihn in den Matsch. Noch einmal versuchte der Fotograf sein Glück, aber Julian wich ihm geschickt aus, und der Mann ging durch die Schwungkraft seines eigenen Schlages zu Boden. Mittlerweile war der Assistent wieder auf die Beine gekommen und half seinem Chef aufzustehen; woraufhin sie gemeinsam auf Julian losgingen. Eine geballte Faust traf ihn im Gesicht, aber das nahm er kaum wahr. Statt dessen verpaßte er dem Assistenten noch einmal eine so schwungvolle Rechte, daß dieser schreiend zu Boden ging. Mit dem Mut der Verzweiflung sprang der Fotograf Julian nun von hinten an und schrie: »Ich bringe Sie dazu, daß Sie Scheiße fressen!«
Beide stürzten sie rückwärts in den Schlamm, aber Julian rollte sich rasch ab und war sogleich wieder auf den Beinen. Blitzschnell drehte er sich zum Fotografen um und nahm ihn, als der gerade wieder aufstehen wollte, in den Schwitzkasten. Im Schlamm kniend drückte Julian ihm rasend vor Wut den Unterarm an die Kehle, so daß der Fotograf Mühe hatte, Luft zu bekommen. Julian war so außer sich, daß er den Kerl am liebsten erwürgt hätte.
»Julian, Julian ... Doc!« hörte er da jemand entsetzt hinter sich rufen und lockerte den Griff. Es war Robert Roser, der nun hinter ihm stand, ihm aufhalf und rasch zurückzog.
Langsam erhob sich auch der Fotograf, wobei er den Yankees zuschrie: »Was ist eigentlich mit euch los, Jungs? Ihr seid ein Haufen elender Feiglinge! Wie könnt ihr es zulassen, daß mich dieses Rebellenschwein einfach so angreift?«
»Hier sind keine Feiglinge«, entgegnete da Jim Brandt kalt. »Wir haben hier gekämpft, und viele von uns sind hier gestorben. Und du läßt jetzt deine dreckigen Finger von den Toten, ist das klar?«
»Ich hab' doch die gefallenen Yankees überhaupt nicht angerührt...«
»Und
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