Sieg des Herzens
dann: »Ja, ich würde sehr gerne wieder zu Hause sein.«
Sacht berührte er da ihre Hand und sagte: »Es tut mir leid, daß ich Sie eine Hexe genannt habe. Es tut mir mächtig leid, Ma'am, ehrlich!«
»Das ist schon in Ordnung. Ich hoffe, daß wir alle recht bald nach Hause kommen.«
Plötzlich brummte Liam mißmutig: »Passen Sie bloß auf, da kommt er!«
»Wer?«
»Der Prediger: Colonel Sheer.«
Als sie sich umdrehte, sah sie einen großen, schlanken Mann mit eisgrauen Haaren und einem grauen Bart das Lazarettzelt betreten. Interessiert beobachtete sie ihn, wie er stehenblieb, um einen der Sanitäter etwas zu fragen. Es ging bestimmt um sie. Da wandte er sich auch schon von dem Sanitäter ab und kam direkt auf sie zu. Gefolgt von zwei Adjutanten ging er durch die Feldbettreihen, bis er bei ihr angelangt war. Er hatte dunkle, schmale Augen und einen stechenden Blick - den Blick eines religiösen Fanatikers. Sofort hatte sie ein ungutes Gefühl.
»Mrs. McKenzie!« konstatierte er dann.
Sie nickte nur.
»Sie kommen mit mir!«
»Wohin?« wollte sie wissen.
»In mein Büro.«
»Wieso?«
»Ich muß Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Aber ...«, widersprach sie kopfschüttelnd.
»Junge Frau, Sie waren bis gestern im Yankee-Lager!«
»Aber, Sir, ich weiß überhaupt nichts von den militärischen Vorhaben der Yankees. Ich habe dort im Feldlazarett gearbeitet.«
»Sie kommen mit mir!«
»Ich bin hier keine Gefangene, Sir!«
»Sie kommen entweder freiwillig mit, Ma'am, oder ich lasse Sie hintragen.«
Wütend stand sie von Liams Bett auf, um dem Colonel voranzugehen, als ihr plötzlich ein Wassereimer vor die Füße rollte. Joshia hatte ihn absichtlich fallen lassen und raunte ihr, als er sich danach bückte, schnell zu: »Machen Sie sich keine Sorgen, wir holen Dr. McKenzie!«
Sie nickte, fragte sich aber doch mit sinkendem Mut, was hier eigentlich vor sich ging und ob Julian überhaupt etwas dagegen ausrichten konnte. Dieser Mann war ein Colonel - so wie Julian bei der Miliz. Aber jetzt war Julian in der regulären Armee, und sein Dienstrang war nicht so hoch wie der dieses Mannes.
Sheer war schnell bei ihr und nahm sie am Ellbogen. Sie machte sich mit einer unwilligen Bewegung frei. Aber er blieb trotzdem an ihrer Seite und führte sie hinaus. Als sie an ein großes Zelt kamen, hielt er ihr die Plane auf. Drinnen stand ein Stuhl neben einem behelfsmäßigen Schreibtisch, und er bedeutete ihr, sich zu setzen, was sie auch tat.
Dann baute er sich vor ihr auf und sagte: »Sie können jetzt mit Ihrer Feindseligkeit aufhören, Madam.«
»Was wollen Sie, ich bin nicht beim Militär.«
»Aber Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«
»Mein Ruf? Was immer Sie auch gehört haben mögen: Ich bin keine Hexe.«
»Ich will wissen, was die Yankees Vorhaben, wohin ihre Truppen als nächstes ziehen. Was hat Meade jetzt vor? Wo wird er das nächstemal angreifen?«
»Das weiß ich nicht!«
»Ich verlange ...«, wollte Sheer fortfahren, aber Rhiannon fiel ihm ins Wort. »Es sieht so aus, als ob Meade einfach nur so dasitzt, so wie schon die ganze ...« Weiter kam sie nicht, denn Sheer hatte sie ins Gesicht geschlagen.
Rhiannon war wie vom Donner gerührt. Nach Luft schnappend, wollte sie vom Stuhl aufspringen, aber er drückte sie zurück auf den Sitz.
»Wie können Sie es wagen!« schrie sie ihn an.
»Sie werden mir jetzt Antworten auf meine Fragen geben.«
»Ich habe keine Antworten, und ich bin nicht Ihre Gefangene!«
»Sie sind zwar mit Ihrem Gatten hergekommen, aber Sie sind auch eine Yankee, und um der Sicherheit des Südens willen erkläre ich Sie hiermit als gefangengenommen.«
»Das können Sie nicht tun!«
»Ich kann und ich werde. Sie bleiben hier, bis Sie mir gesagt haben, was ich hören will. Sie können doch die Zukunft Voraussagen. Sie wissen, was passieren wird. Nun sind Sie meine Gefangene, Mrs. McKenzie. Sie haben den Süden - Ihr eigenes Land! - verraten.«
Er war geradezu fanatisch - ein Verrückter. Mit Mühe rang Rhiannon um ihre Beherrschung und erwiderte: »Sir, Sie verstehen das nicht, ich kann die Zukunft nicht Voraussagen, wenn es mir gerade einfällt! Nur manchmal und ganz zufällig habe ich gewisse Träume und Eingebungen. Ich kann die Zukunft nicht weissagen wie eine Zigeunerin mit einer Kristallkugel. Ich ...«
Plötzlich stand er ganz dicht vor ihr, preßte die Hände auf ihre Schultern und fauchte: »Nicht wie eine Zigeunerin, aber wie eine Hexe. Sie konnten Magee dabei helfen, seine
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