Sieg einer großen Liebe
den anderen Kindern zu und bestieg wieder die Kutsche. Mit einem etwas unsicheren Blick, versuchte sie Jasons Reaktion auf die Verzögerung zu erkennen. Aber er sah sie nur mit der üblichen Mischung aus Spott und Erstaunen an.
Die Kinder und die Erwachsenen formierten sich jetzt zu einem Zug und folgten dem Wagen den Hügel hinauf. Victoria vermutete, daß dies ein festlicher Brauch war, wenn der Schlossherr heiratete. Die Pferde trotteten durch das Gittertor von Wakefield Park, und die Allee dahinter war von noch mehr Menschen umsäumt. Unsicher blickte Victoria zu Jason hinüber und hätte schwören mögen, daß er ein Lächeln verbarg.
Der Grund dafür wurde deutlich, als sie sich dem Schloss näherten. Sie hatte Jason erzählt, daß sie immer davon geträumt hatte, ihre Hochzeit in einem kleinen Ort mit den Dorfbewohnern zu feiern, und in einer liebenswürdigen Geste hatte der rätselhafte Mann, den sie eben geheiratet hatte, versucht, ihr wenigstens diesen Wunsch zu erfüllen. Er hatte die Wiesen von Wakefield in ein Blumenmeer verwandelt. Blütenbesetzte Baldachine waren über die Tische gespannt, die mit Silbergeschirr, Porzellan und Speisen beladen waren. Überall brannten Fackeln und gaben der Szene in der anbrechenden Dunkelheit einen festlichen Glanz.
Statt verärgert zu sein, daß er seine Londoner Hochzeitsgesellschaft im Stich gelassen hatte, gab Jason offensichtlich ein Vermögen dafür aus, Wakefield Park zu schmücken und das ganze Dorf einzuladen. Und selbst die Natur steuerte ihren Teil zu Jasons Fest bei. Zum erstenmal an diesem Tag verzogen sich die Wolken, und die untergehende Sonne färbte den Himmel rosa und purpur.
Als die Kutsche vor dem Schloss zum Stehen kam, legte Victoria ihm zärtlich die Hand auf den Arm.
„Ich danke dir, Jason“, flüsterte sie, und ihre Stimme zitterte dabei. Und da ihr seine Mahnung einfiel, legte sie ihm die Hand auf die Brust und küsste ihn, wobei sie scheue Zärtlichkeit für ihn empfand.
Das rauhe Lachen eines Mannes holte Victoria in die Gegenwart zurück. „Jason, mein Junge, willst du endlich aus dieser Kutsche steigen und mich deiner Braut vorstellen, oder muss ich das selbst tun?“ fragte ein Mann in irischem Tonfall.
Jason fuhr herum, und Victoria sah zum erstenmal, wie ein Ausdruck freudiger Überraschung über sein Gesicht flog. Er sprang aus der Kutsche und umarmte den stämmigen Iren.
„So“, meinte der Fremde schließlich, indem er Jason an den Schultern fasste und mit offener Zuneigung anstrahlte, „nun hast du dir endlich eine Frau genommen, um deinen großen kalten Palast zu wärmen. Hättest du nicht wenigstens warten können, bis mein Schiff im Hafen liegt, damit ich an der Trauung teilnehmen konnte?“ scherzte er.
„Ich habe dich nicht vor nächsten Monat zurückerwartet“, sagte Jason. „Wann bist du eingetroffen?“
„Ich habe erst die Ladung gelöscht und bin dann gleich hierher geritten. Doch statt dich bei der Arbeit zu finden, erfahre ich, daß du geheiratet hast. Also, stellst du mich jetzt deiner Frau vor?“ verlangte er gutmütig.
Jason half Victoria beim Aussteigen und stellte ihr dann den Seemann als Kapitän Michael Farrell vor. Der Kapitän war etwa fünfzig Jahre alte, hatte dichtes kastanienbraunes Haar und die fröhlichsten braunen Augen, die Victoria je gesehen hatte. Sein Gesicht war wettergegerbt. Victoria mochte ihn auf Anhieb, doch da es sie unsicher machte, zum erstenmal als Jasons Frau bezeichnet zu werden, begrüßte sie Mike Farrell mit der reservierten Höflichkeit, die sie in England gelernt hatte.
Darauf änderte sich Kapitän Farrells Miene. Der freundliche Ausdruck verschwand aus seinen Augen, und sein Verhalten übertraf das ihre an Steifheit. „Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Lady Fielding“, sagte er förmlich mit einer knappen Verbeugung. „Vergeben Sie, daß ich nicht angemessen gekleidet bin. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich habe sechs Monate auf See verbracht und sehne mich nach meinem eigenen Herd.“
„Oh, aber Sie können doch nicht schon gehen!" rief Victoria mit der ihr eigenen natürlichen Wärme aus. Sie hatte erkannt, daß dieser Kapitän ein besonders guter Freund von Jason war und wollte ihm unbedingt das Gefühl geben, willkommen zu sein. „Mein Mann und ich sind für die Tageszeit zu feierlich gekleidet“, scherzte sie. „Außerdem wünschte ich mir nach meiner sechswöchigen Seefahrt nichts als einen Tisch, der nicht schwankt...und
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