Sieg einer großen Liebe
musterte seine gelassenen Züge und nickte dann. „Da wir uns verstehen, werde ich mich verabschieden.“ Sie hob den Arm. „Sie dürfen mir die Hand küssen.“
Mit unbewegter Miene nahm Jason ihre Hand und drückte galant einen Kuß darauf.
„Ich vermute es wäre zuviel verlangt...?“ meinte die Herzogin traurig. Victoria wusste, daß das Gefühl, das in den Augen der alten Frau stand, Liebe war... . und schreckliche Reue.
„Grandma“, flüsterte sie gerührt, und fand sich in den Armen ihrer Urgroßmutter wieder.
Die Herzogin trat einen Schritt zurück und lächelte unsicher. Dann warf sie Jason einen gebieterischen Blick zu. „Wakefield, ich habe beschlossen, nicht zu sterben, bevor ich nicht meinen Urenkel in den Armen halte. Da ich nicht ewig leben kann, werde ich keine Verzögerung von Ihrer Seite dulden.“
„Ich werde mich unverzüglich mit der Angelegenheit befassen, Eure Hoheit“, sagte Jason mit unbewegtem Gesicht, aber einem Lachen in seinen jadegrünen Augen.
Die Herzogin wandte sich an ihre errötende Urenkelin und tätschelte ihr die Hand. „Vergiss nicht, daß Schloss Claremont nur eine Stunde Ritt von Wakefield Park entfernt ist, mein Kind. Du kannst mich jederzeit dort besuchen.“
Mit einem letzten triumphierenden Blick auf den verwirrten Charles, ging sie stolz auf einen Herren zu, in dem Charles den Anwalt der Herzogin erkannte.
Ein Teil der Hochzeitsgäste stand noch in der Nähe herum und wartete auf die Kutschen, als Jason seine junge Frau durch die Menge zu seinem eigenen luxuriösen Gefährt führte. Victoria lächelte unwillkürlich den Menschen zu, die winkten und ihnen bei der Abfahrt zusahen, doch war sie von den gefühlsgeladenen Ereignissen des Tages so verwirrt, daß sie während der ganzen Fahrt nach Wakefield Park tief in Gedanken versunken war.
Erst als sie sich bereits dem Besitz näherten, wurde ihr bewusst, daß sie über zwei Stunden keine zehn Worte mit Jason gewechselt hatte.
Sie warf dem gutaussehenden Mann, der nun ihr Ehemann war, einen verstohlenen Blick zu. Er hatte das Gesicht von ihr abgewandt, und sein Profil war eine harte Maske, bar jeglichen Mitgefühls oder Verständnisses. Jason konnte ihr sicher nicht verzeihen, daß sie vor dem Altar zu fliehen versucht hatte! Bang fragte sie sich, ob sich die Kluft zwischen ihnen wieder aufgetan hatte. „Jason“, sagte sie schüchtern: „Was in der Kirche passiert ist, tut mir leid.“
Er zuckte nur die Schultern.
Sein Schweigen vergrößerte noch Victorias Beklemmung, als die Equipage um eine Kurve bog und in das idyllische Dorf bei Wakefield Park einfuhr. Die Kirchenglocken begannen plötzlich zu läuten, und Victoria sah, daß die Dorfbewohner in ihren besten Kleidern die Straße säumten.
„Jason“, rief sie erfreut aus, aber er beugte sich nur aus der Kutsche und winkte grüßend.
Kleine Kinder hielten bunte Sträuße in den Händen, rannten neben den Wagen her und boten Victoria Blumen durch das offene Fenster an.
Ein etwa vierjähriger Junge lief besonders eifrig neben Victoria her und erregte ihre Aufmerksamkeit durch seine ärmliche Aufmachung und sein auffälliges Schielen. Er wollte Victoria gerade seine Blumen hochreichen, als ihn die Nabe des Rades streifte und zu Boden warf.
„Jason“, rief Victoria spontan, „bitte lass anhalten! “
Er gab dem Kutscher den Befehl, und Victoria stieg aus. „Welch wunderschöne Blumen“, sagte sie zu dem kleinen Jungen, der sich weinend aufrappelte. „Sind sie für mich?“
Schüchtern streckte ihr der Kleine die zerdrückten Blumen entgegen. „Ich habe sie selbst gepflückt“, flüsterte er stolz und verbiß seinen Schmerz über die blutenden Knie.
Victoria besah sich die Knie aber auch sein Schielen. Ihr Vater hatte Erfolge damit gehabt, diesen Sehfehler zu berichtigen, indem er eine Augenklappe vor das gesunde Auge gebunden hatte. „Wie heißt du?“ fragt sie. „Und wo kommst du her?“
„Billy“, antwortete er schüchtern. Und dann fügte er leise hinzu: „Ich komme aus dem Waisenhaus.“
Mitleid und Verständnis stiegen in Victoria auf. Auch sie war eine Waise. Aber sie wohnte jetzt auf einem Schloss und fuhr mit einer vierspännigen Equipage vor.
„Komm mich mal im Schloss besuchen, Billy“, sagte sie spontan und strich ihm liebevoll über den Kopf. Als er sie anstrahlte, nahm sie zwei oder drei der Blüten aus seinem zerknautschten Strauß und steckte sie in ihr exotisch-duftendes Hochzeitsbouquet.
Sie winkte ihm und
Weitere Kostenlose Bücher