Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Werwolf sah, ihn für einen Hund halten würde – unterstützt von der Rudelmagie, die Menschen sehen ließ, was sie zu sehen erwarteten. Die Magie funktionierte auch bei Tageslicht, aber Dunkelheit half.
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, grummelte ich, als ich aus dem Bett sprang. Ich trug ein halbes T-Shirt  – die linke Hälfte – und meine Socken. Die andere Hälfte des Shirts lag am anderen Ende des Wohnwagens. Bevor wir ihn zurückgaben, würde ich mir eine Stunde Zeit nehmen und ihn wirklich gründlich reinigen, damit es nicht peinlich wurde.
    Was mich an etwas erinnerte. »Hey, Adam?« Ich ließ das halbe Hemd auf den Boden fallen und balancierte auf einem Bein, um mir eine Socke auszuziehen. »Wer hat uns den Wohnwagen geliehen? Die einzigen Leute in meinem Bekanntenkreis, die ihn sich leisten können, sind du, Kyle oder Samuel. Samuel würde sich nicht mal tot mit etwas so … Bulligem erwischen lassen. Du hast mir gesagt, er gehört nicht dir. Hat Kyle ihn gekauft, um seinen Lebensstandard
mit Warrens Wunsch nach einem Campingurlaub in Einklang zu bringen?«
    »Onkel Mike.«
    Ich erstarrte, einen Fuß immer noch in der Luft. »Was?« Er hatte sich etwas von einem Angehörigen des Feenvolkes geliehen?
    Adam stützte mich, indem er eine Hand auf meine Schulter legte. »Ich bin nicht mehr grün hinter den Ohren«, erklärte er mir mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. »Onkel Mike hat mich angerufen und gesagt, er hätte gehört, dass ich mit dir campen gehen will, und dass er einen süßen kleinen Wohnwagen hätte, den wir benutzen könnten.«
    »Du hast dir etwas von Onkel Mike geborgt?«
    »Onkel Mike hat ihn angeboten … Wie hat er es genannt? Für bereits geleistete Dienste. Entweder ziehst du dir jetzt die Socke aus, Mercy, oder du stellst den Fuß ab, bevor du umfällst.«
    Ich zog die Socke aus und stellte mich wieder auf beide Füße. »Das Feenvolk gibt dir nie etwas umsonst«, sagte ich drängend. »Nicht einmal Zee, und er ist mein Freund.«
    Das Feenvolk bringt einen zu Tauschgeschäften wie dein Erstgeborenes oder dein Lebensblut gegen einen Kaugummi und lässt es zu diesem Zeitpunkt sogar wie eine tolle Idee klingen.
    »Als die Angehörige des Feenvolkes, der dieser Campingplatz gehört, ungefähr eine Stunde vor Onkel Mike anrief, um ihn uns anzubieten, war ich ziemlich misstrauisch«, erklärte mir Adam.
    Seine Stimme klang wieder vollkommen entspannt, aber
er war irritiert. Ich erkannte es an der Art, wie er sein T-Shirt über den Kopf zog. Ich konnte es darauf beruhen lassen … aber er kannte das Feenvolk nicht so gut wie ich.
    »Nachdem Onkel Mike angerufen hatte«, fuhr er ausdruckslos fort, »wusste ich, dass sie uns aus einem bestimmten Grund hierhaben wollen. Ich hätte ablehnen können – ich hatte in San Diego reserviert –, aber ich dachte, du würdest das hier mehr genießen als ein Hotel und mir gefiel es auch besser.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Ich habe ihm nichts versprochen«, sagte Adam mit übertriebener Geduld. »Du musst dich immer daran erinnern, wer du jetzt bist. Sie können dich nicht verar…« Er hielt für einen Moment inne und schluckte die wütenden Worte mühsam wieder herunter – aber offenbar konnte er sein Temperament nicht mehr ganz unter Kontrolle kriegen, denn jetzt war seine Stimme alles andere als ausdruckslos.
    »Mercy, sie können sich nicht mit dir anlegen, ohne sich mit mir und dem gesamten Rudel anzulegen – und Samuel und Bran und Zee und wahrscheinlich Stefan, wenn wir schon dabei sind. Ich weiß nicht, was sie wollen. Vielleicht ist es einfach wichtig, dass wir nicht nach San Diego fahren – Onkel Mike hat San Diego explizit erwähnt, obwohl ich niemandem erzählt hatte, wohin ich mit dir wollte. Vielleicht war es wichtig, dass wir näher an Zuhause bleiben. Wir Werwölfe sind jetzt ein potenzieller Verbündeter gegen alle politischen Angriffe, weil wir die einzige andere übernatürliche Gruppierung sind, die ihre Existenz öffentlich eingesteht. Vielleicht ist hier etwas …« Er wedelte mit den Armen, um den Ort zu bezeichnen, an
dem der Wohnwagen stand. »Es könnte etwas so Einfaches sein, wie dass wir als Abschreckung gegenüber einem anderen Feenwesen eingesetzt werden, das zerstören will, was Edythe hier aufgebaut hat.«
    Edythe musste die Angehörige des Feenvolkes sein, dem der Campingplatz gehörte. Natürlich war es ein Feenwesen, das diesen Platz aufgebaut hatte, mit seinen großen Bäumen und