Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
dem leuchtend grünen Gras.
Adam hatte Recht. Ich hatte vergessen, dass das Feenvolk, wenn es sich mit mir anlegte, sich auch mit dem gesamten Rudel und noch einigen anderen anlegte. Ich war mehr als nur eine Automechanikerin, die VWs reparierte und sich in einen Kojoten verwandelte. Weil ich Adam hatte und Freunde. Was für einen Unterschied doch ein oder zwei Jahre machen konnten.
Hätte er an diesem Punkt aufgehört zu reden, wäre ich nicht wütend geworden. Vielleicht hätte ich sogar eingestanden, dass er Recht und ich mir unnötig Sorgen gemacht hatte. Aber er ließ es nicht gut sein – weil Adam vielleicht wunderbar und klug war, aber eben doch nicht perfekt.
»Ich nehme an, ich hätte mich verrückt machen können«, presste er hervor, weil unsere Bindung offensichtlich ihren Job nicht machte. Er wusste nicht, dass ich ihm bereits zustimmte. Dass er gewonnen hatte. »Oder genauer gesagt, ich hätte dich uns beide verrückt machen lassen können, indem du darüber grübelst, welchen bösartigen Plan Onkel Mike ausgebrütet hat – Onkel Mike, der sich zumindest schon als wertvoller Verbündeter erwiesen hat, wenn du ihn schon nicht als Freund siehst. Oder ich konnte die ganze Sache für mich behalten, bis deine Neugier
durchbricht und du mich direkt danach fragst, so dass wir zumindest ein paar Tage unserer Hochzeitsreise genießen könnten, bevor wir anfangen, uns darüber Gedanken zu machen, was verda…« Er atmete jetzt schwer und hätte den Fluch fast unzensiert entkommen lassen.
Ich lehnte mich vor, küsste die dünne weiße Linie auf seiner Wange, die immer dann zu sehen war, wenn er die Zähne zusammenbiss, und sagte: »Du hättest mir einfach nur sagen müssen, dass du alles unter Kontrolle hast, Schatz.« Ich klimperte mit den Wimpern. »Ich bin nur die Ehefrau. Ich muss mein armes kleines Hirn nicht mit Gedanken ans Feenvolk überlasten, weil du ja hier bist, um mich zu beschützen.«
Ja, ich war auch sauer. Er bevormundete mich.
Aber trotzdem konnte ich noch zugeben, dass er Recht hatte: Das Feenvolk war sicher niemand, um den er sich Sorgen machen musste.
Er kniff die Augen zusammen. »Das habe ich nicht gesagt. Leg mir keine Worte in den Mund.«
Ich griff um ihn herum, öffnete die Tür des Wohnwagens, verwandelte mich in einen Kojoten, noch bevor er seinen Satz fertig ausgesprochen hatte – und damit war ich draußen und rannte.
Es würde eine Weile dauern, bis er mir folgen konnte, weil Werwölfe um einiges länger brauchen, um sich zu verwandeln. Wahrscheinlich hätte er mich in menschlicher Form jagen können – aber auf zwei Beinen war es ihm unmöglich, mich zu fangen, ob er nun ein Werwolf war oder nicht. Außerdem war er nackt. Der Campingplatz war durch seine Lage und die Anpflanzungen ziemlich isoliert, aber eben nicht vollkommen privat. Und die
Rudelmagie konnte nichts tun, um einen nackten Mann zu verbergen, der über einen Campingplatz rannte.
Das nutzte ich aus und verschwand, bevor er den Streit weiter treiben konnte.
»Ist dir wirklich klar, was du tust, indem du einen Alpha-Werwolf heiratest?«, hatte meine Mutter vor ein paar Monaten gefragt, als ich mit ihr zu einem weiteren Hochzeitskleid-Outlet in Portland gefahren war. Wer hätte geahnt, dass es so viele weiße Kleider gab? Wer hätte gedacht, dass es so viele schreckliche weiße Kleider gab? Das Seltsamste war, dass sie umso mehr kosteten, je hässlicher sie waren.
»Ja, Mom«, sagte ich und wich gerade noch einem 77er LTD aus, der von einer Großmutter gefahren wurde, die kaum übers Armaturenbrett schauen konnte. »Ich kenne Adam seit langer Zeit. Ich weiß genau, worauf ich mich einlasse.«
Meine Mutter sprach weiter, als hätte ich nichts gesagt. »Jede Art von Alpha erfordert ein gutes Management. Werwölfe sind ziemlich herrschsüchtige Bastarde – und Alpha-Werwölfe sind noch um einiges schlimmer. Wenn du nicht aufpasst, erwischst du dich irgendwann dabei, genau das zu tun, was sie dir sagen.«
In ihrer Stimme lag eine interessante Härte und ich fragte mich, wie oft es Bran gelungen war, sie dazu zu bringen, das zu tun, was er sagte. Nicht so oft wie er gewollt hätte, darauf hätte ich gewettet, aber anscheinend öfter als sie es sich gewünscht hätte.
»Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.« Ich machte mir keine besonderen Sorgen. Adam war dominant – das stimmte. Aber ich hatte mir selbst mehr als einmal bewiesen,
dass ich ihm etwas entgegenzusetzen hatte, wenn es nötig
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