Sieh dich nicht um
Tagebuch abgesehen hatte, hat er jedenfalls Pech gehabt. Wird er wieder versuchen, es zu holen? Er weiß, daß ich ihn gesehen habe und ihn als Mörder wiedererkennen werde. Bis die Polizei Caldwell schnappt – wenn es überhaupt soweit kommt –, schwebe ich in Gefahr. Doch daran wollte Lacey lieber nicht denken.
In der Eingangshalle ihres Hauses fühlte sie sich zunächst sicher. Aber als sie in ihrer Etage aus dem Aufzug stieg, erschien ihr der lange Flur beängstigend. Mit dem Schlüssel in der Hand eilte sie zu ihrer Wohnung und ging schnell hinein.
Niemals wieder benutze ich diesen Aktenkoffer, schwor sie sich, als sie ihn unter dem Sofa hervorholte und auf den Schreibtisch im Schlafzimmer stellte. Dabei vermied sie es, den blutigen Griff zu berühren.
Zaghaft zog sie die Tagebuchseiten heraus. Beim Anblick der Blutflecken erschauderte sie. Dann steckte sie die Papiere in einen großen braunen Umschlag und suchte im Wandschrank nach einer Tragetasche.
Zehn Minuten später trat sie, die Tasche fest unter den Arm geklemmt, auf die Straße. Während sie ängstlich Ausschau nach einem Taxi hielt, versuchte sie sich einzureden, daß Caldwell wahrscheinlich schon weit weg und auf der Flucht vor der Polizei war – ganz gleich, wie er in Wirklichkeit hieß und aus welchem Grund er Isabelle umgebracht hatte.
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6
Sandy Savarano, alias Curtis Caldwell, riskierte keine Entdeckung, als er vom Münzfernsprecher gegenüber von Lacey Farrells Haus einen Anruf erledigte. Er hatte sein blondes Haar unter einer grauen Perücke versteckt, Wangen und Kinn waren mit grauen Bartstoppeln bedeckt, und anstelle des Geschäftsanzugs trug er einen verbeulten Pullover und ausgebleichte Jeans. »Nachdem die Farrell bei der Polizei war, ist sie nach Hause gegangen«, meldete er, während er aufmerksam die Straße entlangblickte. »Ich möchte mich nicht länger hier herumtreiben. Auf der anderen Straßenseite steht ein Streifenwagen. Vielleicht wird sie ja überwacht.«
Savarano ging nach Westen, überlegte es sich dann wieder anders und kehrte um. Er beschloß, den Streifenwagen eine Weile zu beobachten, um festzustellen, ob Lacey Farrell tatsächlich unter Polizeischutz stand. Er brauchte nicht lange zu warten. Aus ein paar Metern Entfernung sah er, wie die ihm gut bekannte junge Frau im schwarzen Kostüm und mit einer Tragetasche in der Hand aus dem Haus kam und ein Taxi anhielt. Als das Taxi davonbrauste, betrachtete Savarano den Streifenwagen. Was würden die Polizisten tun? Kurz darauf überfuhr ein Auto an der Kreuzung eine rote Ampel. Mit eingeschaltetem Blaulicht machte sich der Streifenwagen an die Verfolgung.
Gut, dachte Savarano. Ein Problem weniger.
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7
Nach den Vorbereitungen für Isabelles Einäscherung kehrten Jimmy Landi und Steve Abbott ins Restaurant zurück und gingen sofort in Jimmys Büro. Steve schenkte zwei große Gläser Scotch ein und stellte sie auf den Schreibtisch. »Ich glaube, das haben wir jetzt beide nötig«, sagte er.
Landi griff nach seinem Glas. »Ich ganz bestimmt. Heute war ein scheußlicher Tag.«
Isabelles Leiche sollte eingeäschert werden, sobald die Polizei sie freigab. Die Beisetzung würde im Familienmausoleum auf dem Friedhof Gate of Heaven in Westchester stattfinden.
»Dann liegen meine Eltern, mein Kind und meine frühere Frau in einem Grab«, sagte Landi und blickte zu Abbott auf.
»Mir kommt das alles so absurd vor, Steve. Ein Typ tut so, als wolle er eine Wohnung kaufen, kommt später zurück und bringt Isabelle um. Eine hilflose Frau. Und dabei hat sie nie mit teuren Juwelen geprotzt. Sie besaß gar keine. Sie machte sich nichts aus dem Zeug.«
Wut und Trauer malten sich auf seinem Gesicht. »Und ich habe ihr gesagt, daß sie die Wohnung endlich loswerden soll!
Ständig hat sie davon geredet, daß Heathers Tod kein Unfall war! Sie hat sich damit verrückt gemacht – und mich auch. Und dadurch, daß sie dauernd in der Wohnung herumsaß, ist es auch nicht besser geworden. Außerdem brauchte sie das Geld. Dieser Waring, ihr zweiter Mann, hat ihr nämlich keinen Cent hinterlassen. Ich wollte nur, daß sie ihr Leben weiterlebt. Und dann kommt jemand und bringt sie einfach um!« Tränen traten ihm in die Augen. »Jetzt ist sie wenigstens bei Heather.
Vielleicht wollte sie das ja. Ich weiß es nicht.«
Abbott räusperte sich. »Jimmy, Cynthia kommt gegen zehn
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zum Abendessen«, sagte er, um das Thema zu wechseln. »Willst du dich nicht zu uns
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