Sieh dich nicht um
war der ältere Parker ziemlich ärgerlich. Schon auf den ersten Blick erkannte Lacey, daß sie von Rick keine Unterstützung zu erwarten hatte. Parker und Parker bildeten eine Front.
Richard Parker senior nahm kein Blatt vor den Mund. »Lacey, der Sicherheitsdienst sagt, daß Sie gestern abend mit einem Polizisten hier waren. Was war da los?«
Lacey schilderte ihm die Zusammenhänge so kurz wie möglich und erklärte, sie habe beschlossen, das Tagebuch der
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Polizei zu übergeben. Zuerst aber habe sie eine Kopie für Heathers Vater machen müssen.
»Sie haben unterschlagenes Beweismaterial in diesem Büro aufbewahrt?« fragte Parker senior mit hochgezogener Augenbraue.
»Ich wollte das Tagebuch heute Detective Sloane aushändigen«, antwortete sie. Dann erzählte sie vom Einbruch in ihre Wohnung. »Ich habe nur versucht, Isabelle Warings letzten Willen zu befolgen«, sagte sie. »Und nun sieht es aus, als hätte ich vielleicht eine Straftat begangen.«
»Um das zu wissen, braucht man kein Anwalt zu sein«, mischte sich Rick ein. »Lacey, das war wirklich nicht sehr schlau von dir.«
»Ich konnte nicht klar denken«, entgegnete Lacey. »Hören Sie, es tut mir leid, aber -«
»Mir tut es auch leid«, sagte Parker senior. »Haben Sie heute irgendwelche Termine?«
» Zweiam Nachmittag.«
»Die können Liz oder Andrew übernehmen. Rick, kümmere dich darum. Lacey, in der nächsten Zeit werden Sie sich auf den Innendienst beschränken.«
Laceys Lethargie war schlagartig verschwunden. »Das ist nicht fair«, protestierte sie ärgerlich.
»Es ist auch nicht fair, diese Firma in einen Mordfall zu verwickeln, Miss Farrell.«
»Tut mir leid, Lacey«, sagte Rick.
Aber du benimmst dich trotzdem wie Daddys braver Junge, dachte Lacey und schluckte die Antwort herunter, die ihr auf der Zunge lag.
Als sie wieder an ihrem Schreibtisch saß, kam Grace MacMahon, eine der neuen Sekretärinnen, und brachte ihr eine Tasse Kaffee. »Das wird Ihnen guttun.«
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Lacey blickte auf, um sich zu bedanken. Da flüsterte Grace ihr etwas ins Ohr: »Ich bin heute früher gekommen. Ein Detective war hier und hat mit Mr. Parker gesprochen. Ich konnte nicht genau verstehen, was er sagte, aber es hatte etwas mit Ihnen zu tun.«
Sloanes Maxime lautete, daß man zu guter Detektivarbeit den richtigen Riecher brauchte. In fünfundzwanzig Dienstjahren war dieser Wahlspruch schon häufig bestätigt worden, denn viele seiner Vermutungen hatten sich als zutreffend erwiesen. Nun studierte er gemeinsam mit Nick Mars die losen Seiten von Heather Landis Tagebuch und erläuterte ihm seine Theorie.
»Ich glaube, daß Lacey Farrell uns noch immer etwas verschweigt«, sagte er ärgerlich. »Sie steckt tiefer in der Sache drin, als sie zugibt. Schließlich hat sie das Tagebuch aus der Wohnung entfernt, es kopiert und die Kopie Jimmy Landi gegeben.«
Er deutete auf die blutbeschmierten Seiten. »Und ich verrate dir noch was, Nick. Wahrscheinlich hätten wir diese Papiere nie zu Gesicht bekommen, wenn wir ihr gestern nicht ein bißchen zugesetzt hätten. Als wir ihr sagten, wir hätten am Boden des Wandschranks, in den sie ihren Aktenkoffer gestellt hatte, Spuren von Isabelle Warings Blut gefunden, hat sie es mit der Angst zu tun gekriegt.«
»Mir ist noch was aufgefallen, Eddie«, meinte Mars. »Diese Seiten sind nicht numeriert. Woher sollen wir wissen, ob die Farrell nicht die Papiere vernichtet hat, die sie uns vorenthalten wollte? So was nennt man redigieren. Ich bin ganz deiner Ansicht: Farrells Fingerabdrücke sind nicht nur auf den Papieren, sondern auf dem ganzen Fall.«
Eine Stunde später erhielt Detective Sloane einen Anruf von Matt Reilly, dem Spezialisten für Fingerabdrücke, der sein Büro
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in Zimmer 506 hatte. Matt hatte einen an Laceys Wohnungstür gefund enen Abdruck mit der Datenbank SAFIS verglichen, in der die Fingerabdrücke sämtlicher jemals in den Vereinigten Staaten verhafteter Straftäter gespeichert waren. Es handelte sich um den Fingerabdruck von Sandy Savarano, einem Mafia-Killer, der mehrerer Morde in der Drogenszene verdächtigt wurde.
»Sandy Savarano!« rief Sloane aus. »Das gibt's doch nicht, Matt. Savaranos Boot ist vor zwei Jahren mit ihm an Bord in die Luft geflogen. Wir waren bei seiner Beerdigung auf dem Friedhof in Woodlawn.«
»Dann muß da jemand anders beerdigt worden sein«, entgegnete Reilly trocken. »Tote brechen nämlich nicht in Wohnungen ein.«
Den restlichen Tag über mußte
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