Sieh dich nicht um
Lacey tatenlos zusehen, wie Kunden, die sie selbst akquiriert hatte, ihren Kollegen zugeteilt wurden. Es wurmte sie, die Unterlagen von möglichen Interessenten herauszusuchen, telephonisch nachzuhaken und die Informationen dann weitergeben zu müssen. So hatte sie zwar einmal angefangen, doch das war nun acht Jahre her.
Außerdem hatte sie das unbehagliche Gefühl, beobachtet zu werden. Rick machte sich andauernd in dem Bereich des Großraumbüros zu schaffen, wo ihr Schreibtisch stand, und sie hatte den Eindruck, daß er sie nicht aus den Augen ließ.
Wenn sie sich eine neue Akte holen ging, bemerkte sie immer wieder, daß Rick sie anstarrte. Lacey hatte das Gefühl, daß man sie am Ende des Tages auffordern würde, bis zum Abschluß der Ermittlungen nicht mehr ins Büro zu kommen. Also mußte sie Heathers Tagebuch aus dem Schreibtisch nehmen, wenn Rick gerade nicht hinsah.
Zehn Minuten vor fünf wurde Rick ins Büro seines Vaters gerufen, so daß sie endlich an die Kopien herankonnte. Kaum
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hatte sie den braunen Umschlag in ihren Aktenkoffer geschoben, da wurde sie auch schon zu Richard Parker sen. zitiert. Sie war bis auf weiteres beurlaubt.
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»Hoffentlich sind Sie noch nicht am Verhungern, Alex«, sagte Jay Taylor und sah wieder auf die Uhr. »Normalerweise ist Lacey nicht so unpünktlich.«
Es war nicht zu übersehen, daß er verärgert war.
Mona Farrell sprang für ihre Tochter in die Bresche: »Um diese Tageszeit ist immer schrecklich viel Verkehr. Vielleicht ist Lacey ja auch im Büro aufgehalten worden.«
Kit warf ihrem Mann einen warnenden Blick zu. »Ich glaube, wir dürfen Lacey keinen Vorwurf machen, wenn sie ein bißchen zu spät kommt. Schließlich hat sie in letzter Zeit einiges erlebt.
Mein Gott, vor zwei Tagen wäre sie fast umgebracht worden, und gestern hat jemand bei ihr eingebrochen. Dein Genörgel hat sie jetzt bestimmt nicht nötig, Jay.«
»Ganz Ihrer Meinung«, stimmte Alex Carbine freundlich zu.
»Sie hat schon so genug Sorgen.«
Mona Farrell lächelte Carbine dankbar an. In Gegenwart ihres oft so selbstgerechten Schwiegersohns fühlte sie sich immer ein bißchen unwohl. Er war so leicht auf die Palme zu bringen und hatte wenig Geduld mit seinen Mitmenschen. Doch ihr war aufgefallen, daß er vor Alex Respekt hatte.
Sie tranken Cocktails im Wohnzimmer, während die Jungs im Arbeitszimmer fernsahen. Bonnie saß bei den Erwachsenen, weil sie gebettelt hatte, länger aufbleiben zu dürfen, um Lacey zu sehen. Nun stand sie am Fenster und hielt nach ihr Ausschau.
Viertel nach acht, dachte Mona. Lacey hätte um halb acht hier sein sollen. Das paßt gar nicht zu ihr. Was ist ihr bloß dazwischengekommen?
Erst als Lacey um halb sechs ihre Wohnung betrat, wurde ihr
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die volle Bedeutung der heutigen Ereignisse klar: Sie war praktisch arbeitslos. Parker sen. hatte ihr zugesichert, daß sie weiter ihr Grundgehalt bekommen würde – »für eine Weile wenigstens«, hatte er gesagt.
Er wird mich feuern, überlegte sie. Und zwar unter dem Vorwand, ich hätte dem guten Ruf der Firma geschadet, weil ich Beweismittel kopiert und dort versteckt habe. Seit acht Jahren arbeite ich jetzt für ihn. Ich gehöre zu seinen besten Maklern.
Warum will er mich nur loswerden? Sein Sohn hat mir Caldwells Namen genannt und mich gebeten, einen Termin mit ihm zu vereinbaren. Und ich wette, der Alte hat nicht vor, mir die Abfindung zu zahlen, die mir nach all der Zeit zusteht. Er wird behaupten, ich hätte die Kündigung selbst verschuldet.
Wird er damit durchkommen? Es sieht ganz so aus, als würde ich von mehreren Seiten Ärger kriegen. Kopfschüttelnd überlegte sie, warum sich in den letzten Tagen offenbar alles gegen sie verschworen hatte. Ich muß mit einem Anwalt sprechen, aber mit wem?
Da fiel ihr ein Name ein: Jack Regan!
Er und seine Frau, beide Mitte Fünfzig, wohnten im gleichen Haus, im vierzehnten Stock. Bei einer Cocktailparty zur Weihnachtszeit hatte sie mit ihnen geplaudert. Und sie erinnerte sich noch, daß sich andere Gäste bei ihm nach einem gerade gewonnenen Strafprozeß erkundigt hatten.
Lacey beschloß, ihn sofort anzurufen, mußte aber feststellen, daß die Nummer nicht im Telephonbuch stand.
Es kann mir nicht mehr passieren, als daß sie mir die Tür vor der Nase zuschlagen, dachte sie, als sie in den Aufzug stieg. Als sie bei ihnen klingelte, ertappte sie sich dabei, daß sie ängstlich den Flur hinunterblickte.
Zuerst waren die Regans überrascht, sie
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