Sieh dich nicht um
eigentlich, daß sich im Immobiliengeschäft alles um die Lage dreht?«
Lage, Lage, Lage. In Manhattan konnte ein Blick auf den Central Park oder den Hudson River den Wert einer Wohnung drastisch steigern. Lacey hätte Millicent liebend gern ein paar Anekdoten über exzentrische Kunden erzählt, mit denen sie im Lauf der Jahre zu tun gehabt hatte.
Am schlimmsten waren die Abende, die sich leer und ereignislos dahinschleppten. Am Donnerstag raffte sie sich auf und ging ins Kino. Das Filmtheater war halb leer, viele Reihen waren unbesetzt. Doch kurz bevor der Film begann, kam ein Mann den Mittelgang herunter, sah sich um und steuerte auf den Platz direkt hinter ihr zu.
Im Halbdunkel erkannte sie nur, daß er mittelgroß und schlank war. Ihr Herz hämmerte wie wild.
Während des Vorspanns hörte Lacey den Sitz hinter ihr knarren, als der Mann es sich bequem machte, und der Geruch von Popcorn stieg ihr in die Nase. Dann tippte er ihr plötzlich auf die Schulter. Halb gelähmt vor Furcht, schaffte sie es kaum, sich umzudrehen und ihn anzusehen.
Er hielt ihr einen Handschuh entgegen. »Gehört der Ihnen,
-193-
Ma'am?« fragte der Mann. »Er lag unter Ihrem Stuhl.«
Lacey ging, ehe der Film zu Ende war. Sie konnte sich nicht auf die Handlung konzentrieren.
Am Freitag morgen fragte Millicent, was sich Lacey fürs Wochenende vorgenommen hätte.
»Ich werde mich wohl nach einem neuen Fitneßstudio umsehen«, sagte Lacey. »Das Center, bei dem ich Mitglied bin, ist in Ordnung, aber es hat keinen Squash-Court, und darauf möchte ich nur ungern verzichten.«
Natürlich ist das nicht der eigentliche Grund, warum ich nicht mehr ins Twin Cities Gym gehe, dachte sie, aber die Antwort ist wenigstens nicht völlig unaufrichtig.
»Ich habe gehört, daß in Edina ein neues Fitneßcenter eröffnet hat. Angeblich gibt es dort einen großartigen Squash-Court«, sagte Millicent. »Ich erkundige mich mal.«
Ein paar Minuten später stand sie mit einem zufriedene n Lächeln wieder vor Laceys Schreibtisch. »Ich hatte recht. Und weil sie erst vor kurzem eröffnet haben, bekommt jeder, der jetzt beitritt, einen Rabatt.«
Als Millicent später zu einem Kundentermin ging, rief Lacey George Svenson an. Sie hatte zwei Bitten: Sie wollte noch einmal mit Staatsanwalt Gary Baldwin sprechen. »Ich habe ein Recht zu erfahren, was da vor sich geht«, erklärte sie.
Dann fügte sie hinzu: »Die Leute beim Twin Cities Gym werden allmählich zu neugierig. Ich fürchte, ich muß Sie bitten, mir die Aufnahmegebühr für ein anderes Fitneßstudio vorzustrecken.«
Bettlerin, dachte sie verzweifelt, als sie auf seine Antwort wartete. Ich muß nicht nur lügen, sondern auch betteln!
Aber Svenson erwiderte ohne Zögern: »Das kann ich bewilligen. Ein bißchen Abwechslung wird Ihnen guttun.«
-194-
37
Bei ihrem einsamen Frühstück las Lottie Hofmann jeden Morgen die New Yorker Zeitungen. Bis vor gut einem Jahr hatte ihr Max dabei Gesellschaft geleistet. Lottie konnte es immer noch nicht begreifen, daß der Mann, mit dem sie fünfundvierzig Jahre lang zusammengelebt hatte, an jenem Tag Anfang Dezember zu seinem gewohnten Morgenspaziergang aufgebrochen und nie zurückgekehrt war.
Eine Meldung auf Seite drei der Daily News fiel ihr auf: Richard J. Parker junior, dem die Polizei im Mordfall Isabelle Waring einige Fragen stellen wollte, war verschwunden. Was mochte ihm nur passiert sein? fragte sich Lottie besorgt.
Sie stand auf und ging an den Schreibtisch im Wohnzimmer.
Aus der mittleren Schublade holte sie den Brief, den Isabelle Waring am Tag vor ihrer Ermordung an Max geschrieben hatte, und las ihn noch einmal durch.
Lieber Max, ich habe heute versucht, Dich anzurufen, aber Deine Nummer ist bei der Auskunft nicht registriert, deshalb wende ich mich schriftlich an Dich. Gewiß hast Du gehört, daß Heather letzten Dezember durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Ihr Tod ist natürlich ein schrecklicher Verlust für mich, aber die Begleitumstände ihres Todes haben mich noch mehr beunruhigt.
Beim Aufräumen ihrer Wohnung bin ich auf ein Tagebuch gestoßen, in dem sie erwähnt, sie sei mit Dir zum Mittagessen verabredet. Das war fünf Tage vor dem Unfall. Danach schreibt sie nichts mehr über Dich und das Treffen. Aus den nächsten beiden Einträgen geht jedoch hervor, daß sie sehr verstört war, aber es fehlt jeder Hinweis darauf, was ihr Sorge bereitet hat.
-195-
Max, Du hast bis zu Heathers fünfzehntem Lebensjahr in Jimmys
Weitere Kostenlose Bücher