Sieh dich nicht um
vollkommen erschöpft war, würde sie so schnell keinen Schlaf finden. Sie schaltete das Licht ein und griff nach den drei unlinierten Seiten. Wegen der Blutflecken waren sie am schwersten zu lesen.
Da kam ihr ein Gedanke. Ob die sterbende Isabelle wohl versucht hatte, gerade nach diesen Seiten zu greifen?
Noch einmal las Lacey die drei Seiten durch und suchte nach einem Hinweis, warum sie so wichtig waren, daß jemand die einzige andere Kopie gestohlen hatte. Zweifellos waren diese Seiten Caldwell einen Mord wert gewesen, aber warum?
Welches Geheimnis bargen sie?
Dort hatte Heather auch geschrieben, sie stecke in einer schrecklichen Klemme und wisse nicht, was sie machen solle.
Der letzte Eintrag, der noch optimistisch klang, stand oben auf der ersten unlinierten Seite. Hier schrieb Heather, sie sei mit einem Mr. – oder Max oder Mac – Hufner, es war schlecht zu lesen, zum Essen verabredet. Sie hatte hinzufügt: »Das wird bestimmt ein Spaß. Er sagt, er sei alt geworden und ich erwachsen.«
Hört sich an, als wollte sie sich mit einem alten Freund treffen, dachte Lacey. Ich frage mich, ob die Polizei mit ihm
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gesprochen hat. Vielleicht hat Heather ihm gegenüber ja Andeutungen gemacht? Oder fand das Essen statt, bevor so vieles in ihrem Leben schiefging?
Das Originaltagebuch war aus dem Polizeirevier gestohlen worden. Hatte die Polizei eine Liste der darin erwähnten Leute angefertigt, bevor das Beweisstück verschwand?
Lacey sah sich in der Bibliothek um, dann schüttelte sie den Kopf. Wenn ich doch nur mit jemandem darüber reden und Ideen austauschen könnte! Aber das geht jetzt eben nicht. Du bist ganz allein, also weiter im Text.
Wieder betrachtete sie die Seiten. Weder Jimmy Landi noch die Polizei ist jetzt noch im Besitz dieser drei Seiten, sagte sie sich. Ich habe die einzige Kopie.
Kann ich irgendwie herausfinden, wer dieser Mann ist? Ich könnte ins Telephonbuch schauen, ein paar Leute anrufen. Oder ich wende mich direkt an Jimmy Landi.
Wieder hielt sie inne. Sie mußte sich jetzt an die Arbeit machen, mußte das Rätsel lösen, das sich hinter diesen Seiten verbarg. Wenn jemand das Geheimnis lüften sollte, dann eindeutig sie. Aber würde es ihr rechtzeitig gelingen, so daß sie mit dem Leben davonkam?
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Als der Flugverkehr von Minneapolis wiederaufgenommen wurde, bestieg Sandy Savarano sofort ein Flugzeug nach New York. Bestimmt hatte Lacey Farrell einfach die erste verfügbare Maschine genommen und war nur deshalb nach Chicago geflogen. Er war sicher, daß sie dort eine Maschine nach New York nehmen würde. Wo sollte sie sonst hin?
Während er auf seinen Flug wartete, besorgte er sich eine Liste der Linienflüge aller großen Fluggesellschaften von Chicago nach New York. Nach der Landung in Chicago würde die Farrell wahrscheinlich zum nächsten Northwest-Schalter gehen und sich nach einer Verbindung erkundigen.
Obwohl ihm sein Instinkt sagte, daß sie mit Northwest flog, durchkämmte Sandy systematisch die Bereiche des Flughafens, an denen Reisende aus Chicago vorbeikamen.
Die Suche nach Lacey Farrell war inzwischen mehr als ein gewöhnlicher Auftrag für ihn. Die Sache ließ ihn einfach nicht los. Und der Einsatz war höher, als ihm lieb war. Sein neues Leben in Costa Rica gefiel ihm ebenso wie sein neues Gesicht.
Seine junge Frau war bezaubernd. Die Summe, die er für die Beseitigung Lacey Farrells kassieren würde, war beeindruckend, obwohl sie nicht notwendig war, um seinen Lebensstandard zu halten.
Was dagegen unbedingt notwendig war – er mußte eine Zeugin aus dem Weg räumen, die ihn lebenslänglich hinter Gitter bringen konnte. Außerdem konnte er den Gedanken nicht ertragen, daß er seinen letzten Auftrag vermasselt hatte.
Nachdem Sandy sämtliche New-York-Flüge der letzten fünf Stunden überprüft hatte, beschloß er, es gut sein zu lassen.
Wenn er noch länger hier herumlungerte, würde er nur unnötig
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Aufmerksamkeit erregen. Er nahm ein Taxi zu der Wohnung in der 10. Straße West, die man für ihn gemietet hatte. Dort würde er auf weitere Informationen über Lacey Farrell warten.
Er hatte nicht den geringsten Zweifel, daß er spätestens am nächsten Tag die Fährte seines Opfers wiederaufnehmen konnte.
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Jimmy Landi hatte vor, übers Wochenende nach Atlantic City zu fahren, um selbst bei den Vorbereitungen zur Eröffnung des Casinos nach dem rechten zu sehen. Es war ein aufregendes Projekt, und es fiel ihm schwer, sich
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