Sieh dich um: Thriller (German Edition)
»Was ist das, Jack? Was siehst du dir da an? Bist du das, als du klein warst?«
Jacks Herz explodierte beinah in der Brust. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und ein schwindelerregender Adrenalinstoß schoss durch seine Adern. Gütiger Himmel! Er hatte nicht gehört, wie Molly ihr Bett verlassen hatte.
Jack klappte sein Notebook zu und drehte sich hastig um. Er wuschelte mit zitternder Hand durch die Haare seiner kleinen Schwester und gab sich größte Mühe, so normal wie möglich zu wirken. »Ja, klar«, sagte er. »Als käme ich je in die Zeitung! Ehrlich, Molly – du spinnst wohl.« Molly konnte nicht wissen, was ihrer Mutter zugestoßen war – zumindest noch nicht.
Glücklicherweise schien Molly seinen aufgewühlten Zustand nicht zu bemerken. Danke, lieber Gott, für die kleinen Dinge . Wie ihre Mutter stets gesagt hatte – es waren in der Regel die kleinen Dinge im Leben, die am meisten zählten.
»Na ja«, sagte Molly und rieb sich schlaftrunken mit den winzigen Fäustchen die Augen. »Ich dachte bloß, dass vielleicht jemand eine Geschichte über dich geschrieben hat, weil du so gut Schach spielst. Du bist der beste Spieler im ganzen Park.«
Jack atmete erleichtert auf und spürte, wie sich sein Herzschlag ein wenig normalisierte. Scheiße. Das war eng. Er war noch einmal davongekommen, wenngleich knapp – vorerst jedenfalls. Er wusste, dass er in Zukunft erheblich vorsichtiger sein musste, wenn er Molly aus diesem Schlamassel heraushalten wollte. »Ha! Ich wünschte, jemand würde mal eine Geschichte über mich schreiben, Mol«, sagte er. »Aber das bleibt wohl ein Wunschtraum.«
»Warum denn?«
»Weil ich nicht gut genug bin.«
»Na ja, eines Tages wirst du vielleicht gut genug sein. Ich glaube ganz fest daran, dass du gut genug sein wirst. Ich weiß es.«
Jack lächelte angesichts des Vertrauens, das seine Schwester in ihn setzte. Selbst in den härtesten Augenblicken wusste Molly stets haargenau , wie sie ihn aufrichten konnte. Es war einer der vielen Gründe, weshalb er sie so liebte. Nur einer der vielen Gründe, weshalb er für sie sterben würde, wenn es sein musste. Er hoffte nur, dass es nicht dazu kommen würde. »Ja«, meinte er. »Ja, vielleicht bin ich eines Tages gut genug, aber dieser Tag ist definitiv nicht heute. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Auf mich wartet noch eine Menge Arbeit.«
»Was für Arbeit?«
Jack zuckte die Schultern. Es war eine gute Frage, auf die er keine Antwort hatte. »Ich weiß es nicht genau«, gestand er. »Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.« Er zögerte, dann sah er seine kleine Schwester mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Warum? Willst du etwa, dass mein Bild in die Zeitung kommt? Willst du, dass ich so was wie ein Prominenter werde, damit du bei deinen Freundinnen mit mir angeben kannst?«
Molly legte den Kopf schief und dachte nach. Einige Augenblicke später lächelte sie und nickte. »Ich denke schon. Das wäre ziemlich cool. Ich könnte es Brittany und Allison in der Schule so richtig zeigen! Sie prahlen ständig mit irgendwelchen Sachen. Meistens dummes Zeug wie ihre blöden Puppen oder ihre albernen Haarspangen oder ihre dummen Freunde. Als hätte eine von denen schon mal einen Freund gehabt!«
Jack schüttelte angesichts des missmutigen Tonfalls in der Stimme seiner kleinen Schwester verwundert den Kopf, dann kam ihm ein Gedanke. Er wusste, dass er Mollys Hilfe benötigen würde, wenn er mit dem durchkommen wollte, was er als Nächstes vorhatte, doch er wollte nicht, dass sie es wusste . Noch nicht jedenfalls. Je weiter er sie aus dieser Sache heraushalten konnte – zumindest vorerst –, desto sicherer für sie. Aber vielleicht konnte er mit dieser Unterhaltung den Grundstein für ihre spätere Unterstützung legen und sie so möglichst behutsam auf diese Prüfung zuführen.
Er drehte sich mit dem Stuhl hin und her, dann hielt er inne und sah sie an. »Was hältst du davon, mir dabei zu helfen, dass mein Bild in die Zeitung kommt, hm?«
Molly sah ihn stirnrunzelnd an und kaute auf ihrer Unterlippe. »Und wie soll ich das anstellen?«
»Na ja, du müsstest ein Geheimnis für dich behalten. Meinst du, dass du das kannst?«
»Was für ein Geheimnis?«
Jack winkte ab. »Es spielt keine Rolle, was für ein Geheimnis, Molly. Wichtig ist, kannst du eins für dich behalten oder nicht?«
Molly verzog das kleine Gesicht aufrichtig empört. »Selbstverständlich kann ich ein Geheimnis für mich behalten, du
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