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Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Osborne
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und Wohlwollen gegenüber den Mitmenschen passte überhaupt nicht in seine gegenwärtige Weltsicht. Deshalb fühlte es sich absolut merkwürdig an, eine echte zwischenmenschliche Begegnung zu erleben, so kurz sie auch sein mochte, während man gerade dabei war, zu planen, wie man einen Menschen kaltblütig ermorden und ungestraft damit davonkommen konnte. »Wie heißen Sie?«, erkundigte er sich.
    Die alte Frau zog die dünnen, gezupften Augenbrauen hoch und sah ihn an. »Wie bitte?«
    »Ihr Name«, sagte Jack. »Sie meinten, dass ich Sie in der Zeitung grüßen soll, wenn ich berühmt geworden bin. Dafür muss ich Ihren Namen kennen.«
    Die alte Frau lachte auf. »Oh. Natürlich. Ich würde meinen Kopf verlieren, wenn er nicht auf den Schultern festgewachsen wäre, hm? Also, mein Name ist Penelope Briggins, Junge, aber du kannst Penny zu mir sagen. Das macht jeder. Wie heißt du?«
    »Garry.«
    Die alte Frau nickte. »Das ist ein anständiger amerikanischer Name, Garry. Tu nichts, was ihn in den Schmutz ziehen könnte, ja? Und vergiss nicht, mich in den Zeitungen zu grüßen, wenn du weltberühmt geworden bist. Du hast es versprochen.«
    Jack zwang sich zu einem Lächeln. Er erwähnte nicht, dass er den falschen Namen zu Ehren seines Lieblingsschachspielers ausgewählt hatte, der definitiv kein Amerikaner war. »Mach ich«, erwiderte er. »Es dauert bestimmt nicht lange, bis ich berühmt bin. Auf die eine oder andere Weise wird es wohl sogar ziemlich schnell gehen.«
    Die alte Frau lachte erneut, und ihre mächtigen Brüste wogten. »Das nenne ich Selbstvertrauen, Junge! Selbstvertrauen hat noch nie jemanden umgebracht, nicht wahr? Na, jedenfalls werde ich in der New York Times Ausschau nach meinem Namen halten.«
    In diesem Augenblick flog die Tür des Buchladens auf, und ein Auslieferer mit einem dicken Bündel Zeitungen, zusammengehalten von Plastikstreifen, betrat das Geschäft. Eisiger Wind fuhr hinter ihm herein und wirbelte durch den Raum, bevor er die Tür hinter sich wieder schloss.
    »Hi, Penny«, grüßte er, nachdem er das schwere Bündel mit einem Ächzen auf die Ladentheke gewuchtet hatte. »Hab hier eine Sonderausgabe für dich. Ein Junge wird vermisst.«
    Jack blickte auf das Bündel und spürte, wie ihm das Herz plötzlich bis zum Hals schlug. Da war wieder sein Erstklässlerfoto, unübersehbar auf der oberen Hälfte der Titelseite, daneben die Zeichnung, wie er inzwischen aussehen könnte. Die Schlagzeile über den Bildern lautete: »FBI BITTET ÖFFENTLICHKEIT UM MITHILFE BEI DER SUCHE NACH UNBEKANNTEM JUNGEN«.
    Die Stimme der alten Frau riss Jack einen Sekundenbruchteil später aus seinen von Angst benebelten Gedanken. »Danke, Tom. Ist es immer noch so kalt draußen?«
    »Arschkalt, Penny. Ich dachte, ich schaff meinen Hintern besser schnell hier rein, wo es ein wenig wärmer ist.«
    Jack versuchte, sich so normal wie möglich zu verhalten, während die Frau und der Auslieferer ihr belangloses Schwätzchen führten. Er hielt das Buch hoch. »Danke noch mal für das hier«, sagte er.
    Abgelenkt von den charmanten Bemerkungen des Zeitungsmannes winkte Penny Briggins kurz ab, ohne Jack noch einmal anzusehen. »Keine Ursache, Junge. Ich hoffe, es gefällt dir. Einen schönen Tag noch.«
    »Ihnen auch.«
    Jack verließ den Laden, so schnell er konnte, und trat nach draußen in den eisigen Wind. Dabei bildete er sich ein, ihre Blicke zu spüren, die ein Loch in seinen Hinterkopf brannten. Als er jedoch durch das Fenster zurück in den Laden schaute, sah er, dass die Buchhändlerin und der Auslieferer weiter miteinander schwatzten.
    Jacks Verstand fühlte sich immer noch wie benebelt an, als er wenige Minuten später einen Gemischtwarenladen erreichte, wo er die Schlaftabletten und die Schere kaufen wollte, die er für seine nächtliche Mission benötigte. Ordentlich in zwei Stößen neben dem Tresen gestapelt starrten ihm von den Zeitungen noch mehr seiner Konterfeis entgegen wie Steckbriefe, die zu seiner raschen Verhaftung und noch schnelleren Bestrafung aufriefen. Während der U-Bahn-Fahrt quer durch die Stadt saß ihm ein Pendler gegenüber, der die Zeitung ausgebreitet vor sich hielt und darin las. Als Jack erneut in seine eigenen Augen starrte, spürte er einen beunruhigenden Adrenalinstoß in den Adern. Er hätte genauso gut auf dem Rummelplatz in einen Zerrspiegel blicken können, der das Bild der Person zurückwarf, die man früher einmal war. Wohin er auch sah, Jack war überzeugt, die

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