Sieh dich um: Thriller (German Edition)
FBI-Äquivalent eines Hammers für achthundert Dollar oder einer Klobrille für zweihundert Dollar.
Dana öffnete die Doppeltür des Eingangs ihrer beeindruckenden Suite. Der FedEx-Mann davor hielt mitten im Klopfen inne. Sein Mund klappte auf, als er sah, dass Dana nur ein Handtuch trug. Dana wurde mit einem Schlag unangenehm bewusst, dass ihre Schultern vom Duschen noch nass glänzten.
Der Kurier räusperte sich unsicher und bemühte sich, Danas halb nackten Körper nicht anzuglotzen. »Ich habe eine Sendung für Sie, Ma’am«, sagte er mit gesenktem Blick. »Sie müssen den Empfang quittieren.«
Dana nahm den kleinen Plastikstift entgegen, den der Bote ihr hinhielt, und kritzelte ihren Namen auf das kleine Display eines tragbaren Computers, der sie an eine kompliziertere Version einer Zaubertafel erinnerte. Der Kurier reichte ihr einen großen Umschlag. Dana ergriff ihn, schloss die Tür und ging zu einem polierten Mahagonitisch neben einem riesigen Panoramafenster, fünf Meter von dem extragroßen Himmelbett entfernt, das in der Suite das weitläufige Schlafzimmer beherrschte. Sie zog einen gepolsterten Holzstuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich mit dem Rücken zur Panoramaaussicht über den New Yorker Central Park, während sie den roten Aufreißstreifen aus dem Umschlag zog und den Inhalt auf den Tisch schüttete.
Neun blutige Tatortfotos glitten heraus.
Maggie Flynn in Washington hatte Wort gehalten und die versprochenen Bilder der Bobby-Fischer-Morde per Kurier geschickt.
Dana betrachtete aufmerksam ein Bild nach dem anderen mit frischem Blick, zumal seit den Morden inzwischen eine Weile vergangen war. Die Fotos waren – ebenfalls Maggies Werk – in chronologischer Reihenfolge gemäß dem festgestellten Todeszeitpunkt geordnet. Jedes neue Bild war abscheulicher als das vorherige, und Dana war froh, dass sie noch nicht gefrühstückt hatte.
In den Hinterköpfen der neun Opfer prangten Einschusslöcher. Zu der Gruppe der Unglückseligen hatte ein siebenjähriger Junge gehört, der mitten in der Nacht aus seinem Bett entführt worden war. Seine Eltern hatten zwei Zimmer weiter in ihrer komfortablen Wohnung in Greenwich Village geschlafen und nichts von dem Albtraum geahnt, der sie am nächsten Morgen erwarten sollte.
Der Mord an dem kleinen Jungen war nur der erste in einer Reihe weiterer gewesen. Die Kugel aus einer russischen Makarow-Pistole war oben rechts in den Hinterkopf des Jungen eingedrungen und durch sein rechtes Auge wieder ausgetreten. Anderthalb Tage später war das zweite Opfer gefunden worden, Hannah Birkman, eine ältere Frau und seit siebenunddreißig Jahren Sozialkundelehrerin an der PS213 in Brooklyn. Birkman hatte im Verlauf ihrer bemerkenswerten Karriere nicht weniger als neunzehn Mal den Titel der Lehrerin des Jahres gewonnen und war 1982 sogar von Präsident Ronald Reagan höchstpersönlich in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress erwähnt worden. Bei ihr war die Kugel genau in der Mitte des Hinterkopfs eingeschlagen und hatte beim Austritt die Nase weggerissen.
Dana nahm sich vor, bei Flynn nachzufragen, ob es etwas Neues über die Patrone gab, die der Killer in Stephanie Manns Wohnung zurückgelassen hatte, dann konzentrierte sie sich wieder auf das Studium der grausigen Fotos.
Das dritte Opfer war Aimee Barton gewesen, die Verlobte von Grady Sizemore, einem Baseballspieler der Cleveland Indians und Schwarm jeder Frau in der Stadt. Barton war ins rechte untere Drittel des Schädels geschossen worden. Beim Austritt hatte ihr die Kugel die rechte Wange weggefetzt. Das vierte Opfer, ein italienischer Einwanderer namens Enzo Pangrazzio, war mit einem Schuss links unten in die Schädelbasis förmlich hingerichtet worden. Die Kugel hatte die linke Seite seines Gesichts weggerissen, bevor sie ein Glas mit eingelegtem Gemüse auf dem Küchentresen von Pangrazzios ordentlicher kleiner Wohnung in Queens zerschmettert hatte.
Dana runzelte die Stirn, während sie die restlichen Aufnahmen aufmerksam studierte. Eigenartig, dass jede der Kugeln einen anderen Abschnitt des Schädels des jeweiligen Opfers durchschlagen hatte. Sie fragte sich, wieso ihr dieser Umstand nicht bereits früher aufgefallen war. Es sah beinah aus, als wäre es so geplant gewesen.
Bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.
Dana schüttelte den Kopf und stellte sich einmal mehr ein alternatives Leben als Bibliothekarin vor. Wahrscheinlich hätte sie inzwischen drei Kinder und einen weißen
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