Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Mafiaclans in New York: Luchese, Genovese, Bonanno und Colombo. Alle fünf hatten eigene Syndikate und operierten unabhängig voneinander in verschiedenen Gebieten der Stadt, doch die Oberhäupter trafen sich regelmäßig, um Geschäfte zu tätigen und die Aufteilung der Stadt festzulegen. Nicht viel anders als die politischen Parteien der Vereinigten Staaten mit ihren Wahlkreisschiebungen und -manipulationen, wenn sich Republikaner und Demokraten vor jeder Wahl zusammensetzten und die Wahlbezirke neu definierten.
Bei der Mafia hieß dieses Fünfergremium »Kommission«. Durch einen Anruf bei der New Yorker Außenstelle des FBI wussten Dana und Brown, dass das nächste Treffen der Kommission für diesen Abend in einem Jagdhaus am Rand von Albany, der zweieinhalb Autostunden entfernten Hauptstadt des Staates, geplant war.
»Was hältst du davon, wenn wir der kleinen Party der Kommission heute Abend einen unangemeldeten Besuch abstatten?«, fragte Dana und blickte auf ihr rustikales Erscheinungsbild hinab – Jeans, T-Shirt und Arbeitsschuhe, um echt in der Rolle als Installateurin zu wirken, die sie zuvor gespielt hatte. »Ich verspreche auch, dass ich mich vorher umziehe.«
Brown grinste. »Du siehst großartig aus, wie immer. Und das weißt du auch.«
Dana ignorierte den kokettierenden Unterton in Browns Stimme. Sie hätte auch gar nicht gewusst, was sie entgegnen sollte. Für sie fühlte sich die Situation unbehaglich an, und sie wünschte, er würde sie als etwas unbehaglicher empfinden. Verheiratete Männer sollten nicht mit anderen Frauen flirten. »Was ist jetzt mit dem Treffen der Kommission heute Abend?«, fragte Dana. »Hast du Lust auf einen Ausflug nach Albany oder nicht?«
Ein verletzter Blick trat in Browns Augen. »Klar, Dana. Wie du willst.«
25
Als Reaktion auf Sergej Michalovics Positionierung von Anna Baker telefonierte Edward O’Hara mit Micah Brantley, einem über zwei Meter großen ehemaligen Basketballprofi, der auf dem Hartholz des Madison Square Garden der Star der New York Knicks gewesen war. O’Hara konnte ebenso gut gleich groß anfangen. Und wie man es auch drehte und wendete, viel größer als mit Micah Brantley ging es nicht.
Der absolute Höhepunkt von Brantleys tragisch kurzer Karriere war das 1998er-Playoff-Spiel gegen die Chicago Bulls gewesen, als er einundfünfzig Punkte geworfen und die Knicks damit in die Endrunde katapultiert hatte, die sie schließlich in einer hitzigen Fünf-Runden-Schlacht gegen die L. A. Lakers verloren. Nach diesem schwindelerregenden Höhepunkt seiner Laufbahn war es allerdings für Micah Brantley, beschleunigt durch Drogenkonsum, nur noch bergab gegangen.
In New York City wurde sein Name meist in einem Tonfall ausgesprochen, der zwischen Ehrfurcht und Mitleid schwankte. Ehrfurcht wegen seiner heroischen Leistungen auf dem Basketballfeld – manche meinten, er sei der beste Spieler seit Michael Jordan gewesen –, Mitleid aufgrund der Tatsache, dass er das jüngste Opfer einer langen Reihe von verhätschelten Sporthelden war, die ihr enormes Talent durch Drogensucht weggeworfen hatten. Crack, Heroin, Crystal Meth, Aufputschmittel, Beruhigungsmittel – es spielte keine Rolle, was sich Brantley in die Venen spritzte, solange es einen steten Vorrat davon gab, der dafür sorgte, dass er konstant in einem veränderten Bewusstseinszustand blieb. Als drei Entziehungskuren nach drei positiven Drogentests bei verpflichtenden Kontrolluntersuchungen der NBA nicht gereicht hatten, um Brantley von seinem Irrweg abzubringen, hatte die Liga letztlich resigniert die Hände hochgeworfen und sich von dem sorgenschweren Superstar abgewandt. Wer konnte es ihr verübeln? Am Ende hatte Micah Brantley die Liga wesentlich mehr gekostet, als er je eingebracht hatte – ungeachtet seiner Jahrhundertnacht im Madison Square Garden.
Natürlich hatte Brantley keinen Cent mehr von dem in der NBA verdienten Geld. Nachdem ihn die Liga aufgrund seines dritten positiven Drogentests lebenslänglich gesperrt hatte, brachte er die sechs Millionen Dollar, die er noch auf dem Bankkonto hatte, mit atemberaubender Geschwindigkeit durch. Wie bei den meisten ehemaligen Stars war das Problem auch bei Micah Brantley, dass er keine Ahnung hatte, wie tief er tatsächlich gefallen war. In seinem drogenbenebelten Verstand war er immer noch der Mann, der in der letzten Sekunde des Spiels einen Sprungwurf über zehn Meter im Korb versenkt und die Knicks damit vor dreizehn Jahren in die
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