Sieh dich um: Thriller (German Edition)
ahnungslose Touristen verkaufte. Michalovic hatte sich von Anfang an nur für eins interessiert: Geld verdienen. Massenweise Geld. Zum Glück hatte er sich als extrem geschickt auf diesem Gebiet erwiesen, was ihm die finanzielle Freiheit ermöglichte, die zunehmend interessanten Spiele mit O’Hara zu spielen. So, wie Michalovic es sah, würde er sich einfach aus etwaigen Schwierigkeiten freikaufen , falls etwas schiefginge. Denn so lief es in Amerika.
Michalovic lächelte hinter dem Steuer seines Rolls-Royce Phantom II bei sich und rief seinen nächsten Bauern an. Es gab immer etwas Interessantes, worüber man in diesem Land der unbeschränkten Möglichkeiten, in dem er nun lebte, nachsinnen konnte, und im Augenblick hatte er etwas äußerst Interessantes gefunden.
Obwohl sich Michalovic normalerweise von einem vertrauenswürdigen Fahrer durch die Straßen chauffieren und von den Unbilden des New Yorker Alltags abschirmen ließ, kam das in diesem Fall nicht infrage. Außer ihm und O’Hara durfte niemand wissen, was die beiden im Schilde führten. Was ihn an ein weiteres wunderbares Sprichwort erinnerte: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold .
Überaus passend für jemanden, der Gold so sehr schätzte wie er.
Als Anna Baker den Anruf entgegennahm, verspürte Michalovic für einen Moment beinah so etwas wie Mitleid für die alte Frau; er wusste schließlich, dass ihre Tage auf Erden gezählt waren. Beinah Mitleid, aber nicht wirklich. Das törichte Weib war mit so gut wie jedem erdenklichen Vorteil ins Leben gestartet, und es war schließlich nicht seine Schuld, wenn sie es nicht verstanden hatte, mehr daraus zu machen.
»Miss Baker, mein Name ist Pierre LeBlanc«, stellte sich Michalovic mit falschem Namen vor, als die Frau den Hörer abnahm. Er benutzte den gleichen erfundenen Namen wie bei seinem ersten Bauern, Betty Arsenault. »Ich bin Mr. Soros’ Assistent für besondere Aufgaben. Wie geht es Ihnen?«
Die Verbindung an Anna Bakers Ende knisterte vor Statik. Zweifellos versuchte die alte Schrulle, durch einen billigen Telefonanbieter ein paar Cent zu sparen – ohne dass sie einen Grund dazu gehabt hätte. Mit ihrem Geld hätte sie die verdammte Telefongesellschaft kaufen können. »Es geht mir gut, Mr. LeBlanc«, antwortete Anna Baker mit klarer, energischer Stimme, die ihre beinah zweiundachtzig Jahre Lügen strafte. »Wie kann ich Ihnen an diesem schönen Morgen helfen?«
Michalovic schluckte die aufsteigende Galle hinunter und zwang sich, ruhig zu bleiben. Im Gegensatz zu George Soros hatte diese verrückte Alte keinerlei Veranlassung, sich einen verdammten Dreck um die weniger Glücklichen im Leben zu scheren. Allein dafür hatte sie den Tod verdient.
»Danke, ich brauche keine Hilfe, Miss Baker«, antwortete Michalovic. »Ich wünschte nur, ich könnte dasselbe über den armen kleinen D’Andre Williams sagen.«
Weiteres statisches Rauschen in Michalovics Ohr. Vielleicht spielte die Alte an ihrem Ende der Verbindung mit dem Telefonkabel. Woran es auch liegen mochte, der Trick funktionierte. Als Anna Bakers Stimme wieder ertönte, klang sie klar und deutlich, abgesehen von dem hörbaren Unterton der Besorgnis. »Was meinen Sie damit, Mr. LeBlanc?«, wollte sie wissen. »Wer ist der arme kleine D’Andre Williams?«
Michalovic lenkte den Rolls-Royce in die Fernway Street ins Zentrum von Manhattan und hielt an einer roten Ampel an. Auf beiden Spuren rechts und links von ihm verrenkten sich andere Fahrer die Hälse, um seinen Autoklassiker bewundernd anzuglotzen, während er Anna Baker in allen Einzelheiten erklärte, was er von ihr brauchte.
»D’Andre Williams ist ein sechsjähriger afroamerikanischer Junge, der allein bei seiner Mutter wohnt – einer cracksüchtigen Gelegenheitsprostituierten«, berichtete Michalovic. »Unserer Organisation liegen Berichte von Missbrauch vor, deswegen möchte Mr. Soros, dass Sie unverzüglich eine Akte anlegen. Da wir Wochenende haben, erhalten Sie selbstverständlich eine zusätzliche Aufwandsentschädigung für Ihre Arbeit. Mr. Soros möchte außerdem, dass diese spezielle Akte vertraulich behandelt wird, Miss Baker. Er betrachtet den Fall als vorrangiges Projekt und möchte unter keinen Umständen, dass die Presse darauf aufmerksam wird.«
Anna Baker atmete entrüstet aus. »Ich brauche keine zusätzliche Bezahlung, Mr. LeBlanc«, sagte sie im Tonfall einer strengen alten Lehrerin, die es gewohnt war, ihren Schülern zu sagen, wie die Dinge zu
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