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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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mir immerhin sagen, wie lächerlich ich mich und dich neulich abends gemacht habe.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Du hast ihm gesagt, ich sei deine Putzfrau, um dein ehrenwertes Gesicht zu wahren. Er fand das sehr komisch. Tut mir leid, daß ich mich vor ihm verbeugt habe, Shiny, tut mir wirklich leid, aber wie du schon durchaus zu Recht bemerkt hast, ich bin nur eine Gaijin ; wie also soll ich es verstehen können? Wie könnte ich die dämonischen asiatischen Mechanismen verstehen, die da unter der Oberfläche am Werke waren? Bist du sicher, daß du nichts trinken möchtest?«
    Shinichro wandte sich ab und nahm sich ein Whiskyglas; er schenkte sich selbst einen Scotch ein, gute drei Fingerbreit. Ich hob mein Glas, versagte mir aber einen Trinkspruch zu seinem Wohle, denn er trank bereits. Mit einer Hand zog er den Umschlag aus dem Hosenbund und stopfte ihn in die Tasche seiner weiten Hose, während er schluckte. Ich redete weiter, ließ ihm meine Worte wie Wespen um den Kopf schwirren und mischte Wahrheit und Lügen, um ihn desto mehr zu verletzen.
    »Aber ich habe ja bezahlt, nicht wahr? Ich denke, wir sind quitt. Ich bringe dich in Verlegenheit, du erniedrigst mich, schlägst mich, kränkst mich. Ich schlafe mit jemand anderem und fühle mich gut dabei, aber du mußtest nebenan sitzen und mich bespitzeln. Ich verliere ein Baby, bevor ich mir überlegt habe, ob ich es haben will oder nicht, und du kommst hier an und willst auf alle Fälle dafür bezahlen. Gute Absichten — stecken wir nicht voll davon? Die Sache ist bloß, Shiny: Ich baue immer Scheiß, aber du, du hast gerade erst angefangen. Du verkehrst mit den falschen Leuten. Mit mir. Mit Sano-san. Du hättest mir sagen können, woher er die Drams hatte. Hättest mir den Weg zu Charlies Bankfach ersparen können. All der Scheiß über den Handel. Du sahnst ganz oben ab, nicht wahr?«
    Shinichro kippte sich die letzten Tropfen Scotch in den Hals, holte aus und schleuderte das Glas mit einer Wucht an die Wand, daß die Splitter flogen. Er streckte mir die blutige Hand entgegen, um zu verhindern, daß ich näher kam, aber ich bewegte mich gar nicht. Ich konnte nicht. Ich mußte stehen bleiben und ihn stumm beobachten, wie er mit gesenktem Gesicht dastand und sein Blut sachte auf den Barschrank tröpfeln ließ, wo es auf der gewachsten Holzfläche zähflüssige, rote Pfützen bildete. Es war still, eine ganze Minute lang, bevor er den Kopf in den Nacken warf und brüllte, das Gesicht verzerrt, die Arme ausgestreckt, die Fäuste geballt, der Mund weit offen, wie eine rasende Bestie, die etwas Fremdes, Unbekanntes, Beängstigendes in das Nichts ringsum hinausschrie.
     
    Ich zupfte ihm mit einer Edelstahlpinzette die Glassplitter aus dem Gesicht. Meine Hände zitterten ein bißchen, als ich seinen Kopf festhielt, um die kleinen Fragmente auszugraben.
    »Ein Glück, daß du nichts davon ins Auge gekriegt hast, du blöder, blöder Hund.«
    Shinichro grunzte, möglicherweise zustimmend, aber wohl eher, um mir zu bedeuten, ich solle endlich weitermachen. Als ich fertig war, sah er aus, als habe er den allerneuesten albanischen Rasierapparat getestet. Nur einer der Schnitte sah aus, als müsse er mit einem Stich genäht werden, aber Shinichro begnügte sich damit, mich einen Tupfer daraufdrücken zu lassen, während er den Kopf in den Nacken bog und auf die Lehne eines Küchenstuhls legte, während seine Hände auf den Oberschenkeln ruhten.
    »Wirst du mir die Wahrheit sagen, Shinichro?«
    »Über Sano?«
    »Na, das wäre ein Anfang.«
    »Er ist eigoyasan.«
    »Was heißt das?«
    »Das heißt, daß er gut Englisch spricht, aber trotzdem ein Dummkopf ist.«
    »Er hat einen Revolver.«
    »Weil er yakuza ist.«
    »Ein Verbrecher.«
    »Mehr als das. Yakuza. Ein Gangster in einer der drei großen Verbrecher-Organisationen in Japan. Ein Mann ohne Manieren, ohne Respekt. Ein schlechter Bürger.«
    »Und du?«
    »Ich gehöre zur NC Corporation, Komponentendivision.«
    »Und woher kennt er dich dann? Was geht da vor, Shinichro?«
    Er schob mich sanft von sich, um mein unbeholfenes Getupfe zu beenden, und stand auf. Er bot mir seinen Stuhl an, bevor er nach nebenan schlenderte und mit der halben Flasche Scotch zurückkam, die er vor einer Stunde in Angriff genommen hatte. Als er zwei Tumbler aus dem Küchenschrank nahm, fragte ich: »Bist du sicher?«
    »Ich muß etwas trinken«, sagte er. »Gegen den Schmerz.«
    Ich wußte genau, was er meinte, und sah zu, wie er zweimal einen

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