Sieh mich an, Al Sony
Bande.«
»Hai.«
»Was willst du also damit sagen? Daß du dein Gin gegen deinen On- Mann erfüllen wirst, ganz gleich, was für Konsequenzen es hat?«
Shinichro schaute mich mit einem Lidschlag an, anscheinend ungerührt.
»Okay. Mal sehen, ob ich bis jetzt alles begriffen habe’ Hiroshi Sano alias Al Sony verliert in Vegas einen Aktenkoffer voller Drams an Charlie East. Die Chips hatte er von dir. Richtig?«
Keine Antwort.
»Nicht von dir? Dann von deinem On -Mann. So war’s, nicht? Das waren die geschäftlichen Angelegenheiten, die ihr beide neulich abends zu besprechen hattet.«
Keine Antwort.
»Er ist also derart sauer darüber, daß er sie verloren hat, daß er versucht, sie und sein gesegnetes Kao wiederzukriegen — auf die einzige Art, die er versteht. Er verabredet eine Pokerrunde, aber... inzwischen klaut er die Dinger zurück.«
»Wer sagt, er hat sie zurückgeklaut?« Shinichro umfaßte sein Glas ein wenig fester. »Wer sagt, daß Sano sie zurückgeklaut hat?«
»Charlie. Und Pal Kuthy.«
»Der Gangster, der hier bei dir war?«
»Ich glaube nicht, daß er ein Gangster ist.«
»Er hatte eine Pistole. Woher wissen die das? Daß er geklaut hat.«
»Sie nehmen an, er wollte, daß Charlie sein Gesicht verliert, indem er sich vom Spiel zurückziehen mußte, weil die Chips weg waren. Charlie hat es nicht getan, und so kam Sano vorbei und spielte — aber er hat gemauert, nicht wie einer, der etwas zurückgewinnen wollte. Das brauchte er auch nicht; er wußte, daß sie abhanden gekommen waren, denn er hatte sie selbst.«
»Glaubst du auch, er hat sie?«
»Ich bin nicht mehr sicher.«
»Warum nicht?«
»Weil ich annehme, daß er Kunden in seinem Hotel hatte. Und wenn er die Chips hatte und liefern konnte, wieso ist er dann abgehauen?«
Keine Antwort.
»Es sei denn, er spielt die beiden Enden gegen die Mitte aus.«
Das verstand Shinichro nicht.
»Er bescheißt den Lieferanten und den Käufer und behält die Million für sich.« Ich schaute zu ihm hinüber und sah mein Spiegelbild in den pechschwarzen Pupillen seiner dunklen Augen. Vielleicht konnte er sich auch in meinen sehen, in versengtem Kornblumenblau. Ich bedeckte mein Gesicht für einen Augenblick mit beiden Händen.
»Es tut mir sehr leid wegen des Babys, Georgina«, sagte er.
»Na klar«, sagte ich und griff nach der Scotchflasche. »Trink noch ein Glas, und dann können wir schön zusammen weinen.«
Er weinte natürlich nicht. Er berührte meine Hände, und ich weinte, und als er sein Glas ausgetrunken hatte und gegangen war, weinte ich noch ein bißchen mehr. Ich weinte aber nicht zu lange, denn es kommt die Zeit, da ist alles ausgeweint, und man ist staubtrocken. Ich fing an zu trinken und nachzudenken, nicht über das Baby, das es vielleicht geben würde, sondern über ein paar andere Dinge. Über Shinichros On -Mann und über die Verpflichtungen, die er hatte, wenn er so etwas von Shinichro einfordern konnte.
Diesmal halfen der Scotch und der Wein mir nicht beim Einschlafen. Ich hatte Angst vor der Nacht, vor dem Natrium-Orange der Dunkelheit, das sich jenseits der schwarzen Vorhänge meines Zimmers über den Londoner Himmel spannte. Der Schweiß lag wie eine Hundezunge auf meinem Gesicht, und ich hielt die Augen weit offen und hielt Ausschau nach seltsamen Schatten, nach kleinen Händen, die hereinkrochen, nach Formen ohne Münder. Ich sah Pistolen mit leeren Kammern und Revolver mit Kugeln, Kugeln und Babys. Ich fragte mich, was davon für mich bestimmt war, während ich auf dem Rücken lag und wartete, dösend und zugleich hellwach für jedes Knacken und Rascheln, bis das Tageslicht sich wie ein Katarakt über die Nacht schob und das Weckradio mich hochjagte.
Ich rief sofort im Intercontinental Hotel an, aber die Rezeption sagte, in Hiroshis Zimmer melde sich niemand. Ich rief in Shinichros Büro an, aber er war noch nicht da. Bevor ich die Wohnung verließ, rief ich noch einmal im Intercontinental an, und die Rezeption teilte mir mit, Mr. Sano habe die Nachricht hinterlassen, er werde zwischen vier und fünf da sein.
Das war sonderbar. Ich hatte nicht gefragt, ob ich ihn sehen könnte, nur, ob er da sei. Ich stellte mir vor, ich sei vermutlich der letzte Mensch, den er würde sehen wollen; dann fiel mir der Revolver ein, und ich dachte, so ein Ding müsse einem Menschen wohl endloses Selbstvertrauen geben. Ich dachte immer noch darüber nach, was ich ihm sagen könnte und ob ich es überhaupt auf den Versuch
Weitere Kostenlose Bücher