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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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hätte eine solche Story auf mich die gleiche Wirkung gehabt wie ein T-Bone-Steak auf einen ausgehungerten Hund. Aber jetzt mußte ich feststellen, daß mir der Appetit vergangen war. Statt dieses beharrlichen inneren Zuckens, das mir so vertraut war und das meine Zunge veranlaßte, in lustvoller Erwartung um meine Zähne herumzulecken, spürte ich jetzt einen tiefen, dunklen Abgrund des Unbehagens. Ich hatte nicht den Mumm zu diesem Kampf. Ich sah keinen Sinn darin, das alles herausfinden zu wollen, wenn ich mich einfach hinsetzen, die Augen schließen und mich aus der Sache heraushalten konnte. Ich rief Richard an und sagte ihm, ich wolle aufs Land fahren.
    »Du hast den Derby Day verpaßt, meine Liebe. Was ist denn los?«
    »Gar nichts. Ich will nur aus der Stadt raus. Ich brauche eine Pause.«
    »Was ist mit der Story?«
    »Mit welcher Story?«
    »Über den Koreaner, der seine Drams verspielt hat.«
    »Kann ihn nicht finden.«
    »Komisch.«
    »Wieso?«
    »Ich hab’ Charlie angerufen, und er sagte, der Typ wollte noch mal gegen ihn spielen, um sie zurückzugewinnen, aber er sei inzwischen beklaut worden.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Yeah. Ich könnte das als Teil eines größeren Stücks über Chipdiebstahl im allgemeinen verarbeiten, das ich gerade plane. Wußtest du, daß Compaq und Sun Microsystems deswegen im vierten Quartal massive Verluste erlitten haben? Western Digital schätzt, daß ihnen dieses Jahr Chips im Wer t von drei Millionen Pfund geraubt worden sind. Wußtest du das?«
    »Tja...«
    »Nach Schätzungen der hiesigen Staatsanwaltschaft beläuft sich der Chipdiebstahl jährlich auf fünf bis sechseinhalb Millionen Pfund.«
    Ich hatte das Gefühl, mein Herz höre auf zu schlagen.
    »Bist du noch da?«
    »Ja.«
    »Da ist noch etwas. Die Sache mit den Quoten.«
    »Was?«
    »Ich habe einen Kontaktmann, der schwört, daß die legalen Chiphersteller Milliarden in den grauen Markt pumpen, indem sie ihre Produktionserträge zu niedrig angeben.«
    »Du meinst, sie sagen ihren Kunden, die Fabriken produzieren eine Quote von fünfzig Prozent, während es in Wirklichkeit fünfundsiebzig sind?«
    »Genau.«
    »Fünfundzwanzig Prozent, die zu Spotmarktpreisen statt vereinbarungsgemäß verkauft werden?«
    »Sehr gut, Georgina.«
    »Großartig.«
    »Vielleicht solltest du wirklich aufs Land fahren, Ge-0rgina. Mal ausspannen.«
    »Mir ist es nicht so gut gegangen.«
    »Du mußt absolut gaga gewesen sein, wenn du dir diese kleine Truppe hast entwischen lassen. Das ist eine Story, die von allein läuft.«
    Ich legte langsam den Hörer auf die Gabel. Esther stand in der Tür, beobachtete mich und wartete. Ich war erledigt.
    »Alles in Ordnung?« fragte sie.
    Ich nickte.
    »Unten auch?«
    Trotz der brennenden Schmerzen in meinem Bauch nickte ich. Wie bei allen medizinisch tätigen Leuten war Esthers Ausdrucksweise von Richtungen bestimmt. Sie sagte »da unten«, um sämtliche Ein- und Ausgänge des Uro-Genital-Traktes zu bezeichnen. Sie fragte auch, ob man Stuhlgang gehabt oder Wasser gelassen habe. Sie bemühte sich um mein Wohlergehen. Sie meinte, ich solle nicht unbedacht zürnen im Geiste, denn der Zorn ruhe im Busen der Toren. Ich antwortete, ich sei eine Törin, und ich sei zornig. Gott helfe mir, aber ich sagte ihr nicht, daß ich Angst hatte. Ich hatte jetzt vor jedem Angst, vor Shinichro und seinem On- Mann, vor Pal, der eine Pistole hatte, vor dem, der Hiroshi zur Flucht veranlaßt hatte, obwohl er auch eine Pistole besaß, und vor dem, der ihm dann die Knochen gebrochen und ihn auf seinen Tod hatte warten lassen.
    »Ich werde für ein, zwei Tage wegfahren«, sagte ich.
    »Du brauchst mehr als ein, zwei Tage. Fahr für einen Monat zu deiner Mutter. Ruh dich aus. Geh zum Arzt. Ich kümmere mich um deine Wohnung und passe auf alles auf.«
    Esther verstand das nicht. Wenn ich zu meiner Mutter ginge, würde ich meinen Vater treffen, und der hatte immer eine Reihe von Einwänden gegen meine Besuche, nicht zuletzt im Zusammenhang mit seinem Whisky und meiner Teilhabe daran. Es würde gut anfangen - Umarmungen und Küsse und ausgedehntes Abendessen, aber dann würden die Gespräche beginnen. Er würde mit dem abgekauten Ende seiner gelb- und cremefarbenen Meerschaumpfeife in meine Richtung stechen und anfangen. Bei dieser Gelegenheit würde er mich an den Job erinnern, den ich nicht mehr hatte, bevor er dann auf die verpaßte Gelegenheit einer Universitätslaufbahn zurückkäme. Er würde mir raten, meine Scheidung

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