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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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dich, hab’ ich gesagt. «
    Ich schaute wie im Traum über Pals Schulter und sah, wie Shinichro mitten auf der Straße neben dem Taxi her rannte, die Anne über dem Kopf schwenkte und aus voller Lunge auf Japanisch schrie. Der Verkehr floß nur langsam, und manche Autos fingen an zu hupen und mit ihren Scheinwerfern zu blinken. Die Leute, die auf den Gehwegen dahinströmten, blieben allmählich stehen und beobachteten das Theater, das er veranstaltete. Als das Taxi an einer Ampel anhielt, duckte sich Shinichro und verschwand, nur um gleich wieder auf dem Gehweg aufzutauchen, den Türgriff an meiner Seite zu packen und die Tür aufzureißen. Der Taxifahrer bremste hart; gleich würde ihn vor Wut der Schlag treffen. Während der Mann an seinem Türgriff fummelte, sah ich, daß Pals Hand unter sein Jackett fuhr. Ich schrie warnend, aber Shinichro hatte bereits meinen Arm gepackt und zerrte mich aus dem Wagen. Wenn Pal schießen sollte, würde er mich in den Rücken treffen. Ich hatte das Gefühl, ich würde mir gleich in die Hose machen. Als meine Füße den Boden berührten, knickten meine Knie ein, und Pal stolperte über mich, als er uns folgen wollte. Shinichro nutzte die Chance und rammte ihm das Knie mit einiger Wucht unters Kinn.
    Ich erinnerte mich, daß ich an vielen Leuten vorbeigeschleift wurde; Shinichro zog mich und drängte sich hindurch, hielt mich aufrecht und zwang mich, eilig wegzulaufen, durch kleine Sträßchen und um mehrere Ecken, bis er ein neues Taxi anhalten konnte.
    »Alles in Ordnung mit ihr?« hörte ich den Taxifahrer fragen.
    Shinichro hielt mich fest im Arm und antwortete: »Zuviel getrunken, Alter, weiter nichts. Keine Angst. Wenn sie bei mir ist, ist alles in Ordnung.«
     

  Ich war im Bad, aber ich hörte sie streiten. Kein lautstarker Brüllwettbewerb, wie ich ihn vielleicht bevorzugt hätte, aber doch ein schnelles, hartes Gehämmer, das zwischen den beiden hin und her ging. Ich verstand nicht, was sie sagten, aber das brauchte ich auch nicht. Ich wußte, daß es um mich ging.
    Der kleinen, schicken jungen Frau, die uns die Tür geöffnet hatte, war es im Gesicht anzusehen gewesen, und wer konnte es ihr verdenken? Es war Freitag abend, und sie hatte mindestens zwei Stunden auf Shinichro gewartet.
    Sie war so anständig gewesen, einen Arzt zu rufen, aber ich wollte nicht aus dem Badezimmer kommen, aus ihrem schwarz-weißen Badezimmer mit dem großen Spiegel über dem Waschbecken, der ringsum von nackten Glühbirnen umgeben war, damit man sich besser schminken konnte. Die intensiven, stechenden Krämpfe hatten aufgehört; ich fühlte mich zerschlagen und benommen und hatte Schmerzen, innerlich wie äußerlich, überall. Ich konnte jetzt Aspirin gegen diese Schmerzen nehmen, gegen die einfachen, körperlichen Schmerzen, aber was würde den tiefen, dumpfen Schmerz beseitigen, der mir die Kehle zuschnürte, wenn ich sprechen wollte? Damit hatte ich nicht gerechnet, nicht mit diesem Schmerz, der in mir nagte, daß ich heulen wollte wie ein Kettenhund, der draußen in der silbernen Dunkelheit der Nacht vor dem bleichen, traurigen Antlitz des Mondes allein ist. Ich wollte zu Staub zerfallen, zu trockenem, ausgedörrtem Staub, der einem durch die Finger rieselte, wenn man ihn auf der frisch umgegrabenen Erde verstreut. Ich hatte mich an das Kind gewöhnt; es war ein Teil von mir. Ich hatte mich entschieden, aber ich wußte erst jetzt, daß ich mich entschieden hatte, und das konnte ich mir nur selbst zum Vorwurf machen. Ich hätte einen Kokon für uns bauen sollen, einen Unterschlupf, ein Nest, hätte mich fernhalten sollen von allem Arger, wie ich es mir nach dem letzten Mal geschworen hatte, als nichts weiter verletzt worden war als mein Stolz. Es war die beste Chance gewesen, ganz von vorn anzufangen, und jetzt war sie vertan.
    Die Überraschung kam, als der Arzt sagte, er sei sicher, daß da kein Baby sei, daß aber eins dagewesen sei. Tatsache war, als Pal mich geschlagen hatte, war nicht mehr viel dagewesen, kein kleines, lebendiges Etwas, das er hätte verletzen können. Hiroshi — den guten alten Al - traf mehr Schuld als Pal; das war mir jetzt klar, aber er hatte mein Baby nicht töten wollen. Pals Absicht war klar, aber auf all das kam es nicht mehr an, denn es war alles meine Schuld. Ich hatte das Baby in der Nacht des Pokerspiels verloren. Es war weggeschwemmt worden. Ich hatte Shinichro aus Stolz und Pal aus Angst belogen, aber dabei hatte ich die Wahrheit gesagt, ohne es zu

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