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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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massenhaft bei mir finden mußtest, um zu beweisen, daß sie von uns Europäern verunreinigt worden war«, sagte ich.
    Er schlug sich mit dem Handballen aufs Knie und schüttelte den Kopf. »Du fängst schon wieder an. Immer mißverstehst du alles. Nein, mißdeutest es.«
    »Dann erklär’s mir.«
    »Sie war nicht so ernsthaft mit allem.«
    »Nicht ernsthaft mit dir?«
    »Es ging nicht um mich. Es ging um sie, um ihren Job, um das, wofür sie hier war. Es hat mich schockiert, um die Wahrheit zu sagen.«
    »Ja. Und du hast es ihr auf alle Fälle heimgezahlt, nicht wahr?«
    Es wurde Zeit, daß ich meine Zigaretten aus der Handtasche bekam. Ich konnte jetzt rauchen, wann und wieviel ich wollte, ohne die geringsten Gewissensbisse. Ich war frei von aller Verantwortung. Ich schaute die Zigarette an und erinnerte mich daran, wie sie wieder angefangen hatte, zu schmecken. Bemerkenswerte Sache, diese Biologie.
    »Sie wußte es. Sie hat es mir ja gesagt. Such dir eine weiße Frau und stell fest, daß ich so schlecht gar nicht bin, sagte sie. Und sie erklärte mir, sie sei lockerer geworden. Das waren ihre Worte. Japaner sind zu ängstlich besorgt, immer zu gefallen, meinte sie, in der Öffentlichkeit immer ein ordentliches Gesicht zu wahren und das Richtige zu tun. Lockerer geworden, ja. Das hat sie gesagt.«
    Ich deutete auf einen Bademantel, der hinter der Tür hing, ein luxuriöses Ding aus rosarotem Frottee. Shinichro brachte ihn her und half mir hinein.
    »Wo sind wir?« fragte ich.
    »Notting Hill.«
    »Ich muß mir überlegen, wo ich hinkann und wo ich in Sicherheit bin. Und ich muß meinen Freund Richard anrufen. Er hat mich gestern abend erwartet.« Ich merkte, wie seine Hände erstarrten. »Du kannst auch nicht zurück in deine Wohnung«, sagte ich.
    Shinichro drehte mich um und strich mit den Händen den Kragen des Bademantels glatt. Seine von den Lidern überschatteten Augen glitzerten, als er mich ansah; ich konnte mein Gesicht darin sehen.
    »Ich war so eifersüchtig«, sagte er. »Ich habe dir sehr geschadet. Es war alles meine Schuld. Verzeih mir.«
    »Ich danke dir trotzdem.«
    »Wofür?«
    »Daß du dich ein ganzes Stück den Long Acre hinunter öffentlich zum Clown gemacht hast.«
    »Ich habe ihn überrascht, was? Sehr guter Überfall.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Wie Pearl Harbor, ja?«
    In diesem Augenblick wäre es kleinlich gewesen, ihn daran zu erinnern, wie dieser berühmte Überfall letzten Endes ausgegangen war und daß die letzte Konsequenz all unseres eitlen Tuns das Chaos ist. Statt dessen küßte ich ihn auf die Wange und ging duschen.
    Als ich fertig war und hinter mir saubergemacht hatte wie noch nie in meinem Leben, nur um zu beweisen, daß ich keine Wilde war, erwartete Shinichro mich in der großen Eßzimmer-Küche. Er hatte Toast gemacht und uns Saft eingegossen. Als er aufblickte, sah er mich demütig mit meinen Kleidern in der Hand in der Tür stehen.
    »Ich kann das hier nicht mehr anziehen...«, sagte ich. Er stand auf, ging mit mir in ihr Schlafzimmer und inspizierte ihre Garderobe.
    »Ich kann ihre Sachen nicht tragen.«
    »Es ist einfach notwendig, daß du es tust, aber ich glaube, du bist viel zu groß. Ich habe ein paar Sachen hier, wenn du nichts dagegen hast.« Das marineblaue Sweatshirt, das er mir heraussuchte, war zu weit, was nie ein Problem ist, und die Jeans waren mir zu groß. Ich mußte mir einen Gürtel aus Hanaes hochwertiger Kollektion borgen.
    »Raucht Hanae?« fragte ich, als ich mich zum Frühstück an den schwarzen Tisch setzte. Shinichro bestrich meinen Toast mit Butter.
    »Nein.«
    Ich nahm einen Schluck Saft. Nein, natürlich nicht, verdammt.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte er. Meine Hände zitterten, und ich fühlte mich erhitzt und fiebrig. Die Müdigkeit, die ich empfunden hatte, verwandelte sich in Schwäche, und dazu war jetzt nicht der richtige Augenblick. Ich mußte Shinichro sagen, vor wem wir uns versteckten. Er schien gar nicht zuzuhören, als ich ihm erzählte, was in den Zeitungsartikeln aus der Datenbank der Technology Week gestanden hatte, aber natürlich tat er es sehr aufmerksam.
    »Dann ist er ein Schmuggler, ein Abenteurer«, sagte er, als ich fertig war.
    »Oh, das ist er allerdings, und eine Art Spion, zumindest früher mal. Klingt so altmodisch heute, nicht wahr? Spion. Geheimagent.«
    »Nicht, wenn du für eine Computerfirma arbeitest.«
    »Nein, vermutlich nicht. Kalte Krieger sind vielleicht out, aber Handelskrieger sind

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