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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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dass der Schinken lecker war, sie aber meine Gesellschaft bei Weitem bevorzugte. Immer wenn ich ihr Essen hinstellte, sah sie zwischen mir und der Schüssel hin und her und schmiegte sich gegen meine Beine. Trotz ihrer Leidensgeschichte war sie äußerst zutraulich und klug und wollte mir aus Dank, verschont worden zu sein, unbedingt gefallen.
    Anstatt Siesta zu halten, pflegte ich mich jetzt zu Freccia auf die Hintertreppe zu setzen und ihre Ohren zu kraulen oder sie nach Zecken abzusuchen. Eines Nachmittags, als der ganze Ort schlief, durchbrach Daniela die Stille und schrie » Cristoforo Colombo « aus dem Wohnzimmer. Das war mein Spitzname, wenn es Ärger gab, also zog nicht nur Freccia den Kopf ein.
    » Si «, entgegnete ich schüchtern.
    »Da sind Flöhe auf dem Sofa meiner Mutter!«
    »Die wollen bestimmt nur fernsehen.«
    Wir duckten uns erneut, als ein Schuh gegen die Hintertür geschleudert wurde. Am nächsten Tag desinfizierten wir die Möbel, zu denen jetzt auch Freccia und eine Fußmatte gehörten, auf der wir uns nie die Füße abstreiften.
    Unser Haus wurde bald zu ihrem Hotel. Wir fütterten Freccia jeden Abend, hauptsächlich mit Essensresten, und ich sorgte dafür, dass es genügend davon gab. Wenn sie satt war, zwängte sie sich durch die Stäbe unseres Tors und verbrachte die Nacht mit dem Rudel von Streunern, zu dem sie vorher gehört hatte. Jedes Mal, wenn ich sie durchs Tor kriechen hörte, dachte ich, ich hätte sie zum letzten Mal gesehen. Aber jeden Morgen lag sie wieder auf der Hintertreppe. Die Vagabundin war zurückgekehrt, ihr Fell voller Kletten und Stacheln. Wahrscheinlich schlüpfte sie mit Absicht durch so viele Hecken wie möglich, denn sie liebte die Aufmerksamkeit, die ich ihr schenkte, wenn ich den halben Vormittag damit verbrachte, ihr das Zeug aus dem Fell zu klauben.
    Freccia war ein Rowdy, den man einfach gernhaben musste, ein vierbeiniger Huckleberry Finn. Nur hatte sie die Gabe, nicht nur sich in Verstrickungen zu bringen. Sie brachte mich sogar dazu, Laura zu beleidigen, eine enge Freundin von Danielas Mutter. Laura war auf zwei Dinge stolz: auf ihre Kochkünste und ihre Tochter Adele, und zwar so sehr, dass sie mir anbot, mich mit selbst gemachten Köstlichkeiten zu bezahlen, wenn ich Adele Englischunterricht gab. Da ich dachte, sie scherze, erklärte ich mich einverstanden, nur um bald darauf festzustellen, dass sie ihr Angebot ernst gemeint hatte. Also tauschte ich zweimal die Woche Grammatik gegen Gemüse und Pronomen gegen Pasta und gab dem Sprichwort »genügend verdienen, um das Essen auf den Tisch zu bringen« eine ganz neue Bedeutung. Aber wie man solche Einnahmen in der Steuererklärung berücksichtigt, weiß ich bis heute nicht.
    Lauras bestes Gericht waren ihre Gnocchi, die locker eine Stunde Grammatik wert waren. Aber eines Abends schafften wir es nicht, sie aufzuessen, und das kostbare Essen wanderte in den Hundenapf. Freccia arrangierte ihre Mahlzeiten um ihren Terminplan herum, fraß die Hälfte, bevor sie sich ins Nachtleben stürzte, und den Rest bei ihrer Rückkehr am nächsten Morgen. Diesmal hatte sie die Reste jedoch verschmäht und war gleich schlafen gegangen. Vielleicht hatte sie etwas mit ihren Streunerfreunden gefressen, die Gott sei Dank dick genug waren, um sich nicht hinter ihr durchs Tor zu quetschen, obwohl es mehrere versucht hatten und auf halbem Wege stecken geblieben waren.
    Laura stand früh auf, um für ihre Familie zu kochen. Außerdem zog sie es vor, ihre Bezahlung in Naturalien vorbeizubringen, solange sie noch heiß waren, damit wir sie richtig schätzen und dementsprechend loben konnten. Sie kam in der Regel so gegen neun vorbei, und zumindest im Sommer lagen Daniela und ich nach nächtlichen Abenteuern, die mindestens so unerschrocken waren wie die von Freccia, um diese Zeit noch im Bett. Aber an jenem Tag war Daniela auf den Markt nach Poggiardo gefahren, sodass ich allein zu Hause war, als Lauras manikürter Finger auf die Klingel drückte. Da ich erst gegen vier Uhr früh ins Bett gekommen war, dachte ich nicht daran, einen prüfenden Blick in Freccias Napf zu werfen, bevor ich das Tor für unser Essen auf Rädern öffnete.
    Laura, die zwei Tabletts balancierte, verkündete das Menü des Tages – maccheroni und scaloppine ai funghi -, als sie plötzlich abrupt stehen blieb. Sofort vergewisserte ich mich, ob auch nichts Skandalöses seinen Kopf aus meiner Schlafanzughose streckte. Aber es waren ihre Gnocchi, die sie soeben

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