Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
ohnehin schon wusste – nämlich dass Danielas und meine Beziehung ein gewisses Risiko barg. Aber ich war bereit, dieses Risiko einzugehen, und brauchte keinen Barzini, der mir sagte, dass jede Verliebtheit irgendwann nachlässt.
Ich setzte alles auf die Karte Liebe und Abenteuer – zu einem Zeitpunkt, an dem ich mich vielleicht lieber auf meine Karriere als Journalist hätte konzentrieren sollen. Ich hatte für eine australische Sportzeitschrift geschrieben, und der Verleger bot mir noch mehr Aufträge an. Als ich ihm sagte, dass ich nach Italien zöge, war er entsetzt. »Was, und das alles wegen einer Frau?« Aber er kannte ihre Augen nicht. Und Barzini auch nicht.
Meine Eltern dagegen schon, und sie ermutigten mich, zu gehen. Als ich sieben war, waren sie selbst recht abenteuerlustig und gingen trotz ihrer guten Jobs mitsamt ihrer fünfköpfigen Familie für zwei Jahre nach England, damit mein Vater eine Ausbildung zum Waldorflehrer machen konnte. Aber damals ging es nach Sussex. Und sie sprachen die Sprache. Ich zog nach Italien. Und sprach die Sprache nicht. Trotzdem verloren sie kein einziges negatives Wort über meine Entscheidung. Ich glaube, sie wussten von Anfang an, dass Daniela etwas Besonderes ist. Sie zahlten mir sogar den Flug. Barzini und mein Verleger mögen meinen Entschluss nicht gebilligt haben, aber meine Eltern waren auf meiner Seite.
Nachdem er mich vor Daniela gewarnt hatte, warnte mich Barzini vor Italien, indem er sein Land kritisierte und meinte, die Touristen machten sich ein völlig falsches Bild vom italienischen Alltag. In einem Land Urlaub zu machen oder wirklich dort zu leben, ist überall auf der Welt ein Riesenunterschied. Aber wenn man Barzini glaubt, ist dieser Unterschied im Hinblick auf Italien so extrem, dass »man die italienische Lebensweise nicht als Erfolg bezeichnen kann, es sei denn, man wäre ein vorübergehender Besucher des Landes«.
Es war nicht meine erste Italienreise. Ich war schon mehrmals da gewesen und hatte mich wie die meisten begeisterten Touristen auf Anhieb in die überschäumende Lebensfreude der Italiener verliebt. Ich war im Sommer da gewesen, hatte Rom, Florenz und Venedig besichtigt und die Grandezza des Petersdoms bewundert. Ich war über die bunt zusammengewürfelte Pracht der Ponte Vecchio geschlendert und hatte eindeutig zu viel für eine Fahrt mit der Gondel über den Canale Grande bezahlt. Und jedes Mal war ich nur widerwillig nach Hause zurückgekehrt und hatte mir sehnsüchtig gewünscht, einmal inmitten von so viel Kunst zu leben, ohne auch nur eine Sekunde lang zu glauben, dass ich einmal tatsächlich Gelegenheit dazu bekäme.
Doch laut Barzini war ich in eine Falle getappt, die den meisten Touristen zum Verhängnis wird: Ich hatte Italien nach seinem Sommer-Make-up beurteilt. Nicht umsonst heißt Make-up auf Italienisch trucco , was wortwörtlich »Trick« bedeutet. Der wahre italienische Alltag, so Barzini, ist eher trist als schön, korrupt, ungerecht, unaufgeklärt und unglücklich. Jede farbenfrohe Tradition besäße eine dunkle Seite. »Es wäre immerhin schon mal ein Erfolg, wenn er die Italiener glücklich machen würde«, schrieb er. »Aber das tut er nicht.«
Doch diesmal kam ich nicht als Tourist, sondern hatte eine Aufenthaltsgenehmigung und einen Job als Werbetexter einer Mailänder Werbeagentur im Gepäck – beides hatte mir Daniela verschafft. Ich musste nicht für immer bleiben, konnte es aber, so lange ich wollte. Diesmal würde ich das echte Italien kennenlernen und die echten Italiener. Meine Liebe zu Daniela verhalf mir zu einem Einblick in ihre Welt. Und da ich auch dann dort sein würde, wenn der Sommer längst vorüber wäre, würde ich schon herausfinden, ob Barzini ein schlechter Diplomat oder ein begnadeter Beobachter war. Doch bevor ich in den Norden nach Mailand zog, würde ich noch einen zweiwöchigen Sommerurlaub mit Daniela im Süden verbringen.
Ich klappte mein Buch zu und plauderte mit Aurelio, der mir bestimmte Dinge, die Barzini über den Unterschied zwischen einem Urlaub und einem Leben in Italien geschrieben hatte, bestätigte. In lückenhaftem Englisch und gewähltem Italienisch erzählte er Geschichten über seine Heimatinsel Ischia, darunter auch die, wie sein Onkel, der höchst unzufrieden mit der ungenügenden Wasserversorgung ( costipato , wie Aurelio es nannte) einen Klempner bat, der Sache auf den Grund zu gehen. Als sie eine Wand aufschlugen und dem Rohr zur Hauptleitung folgten,
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