Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
eines Hauses und verkündet den Tod eines seiner Bewohner. Daniela erzählt mir, dass dieses Schild dort mehrere Tage lang stehen bleibt, bis der Tote auf dem Friedhof am Stadtrand zur letzten Ruhe gebettet wird.
Nachdem wir beinahe den gesamten centro storico durchkämmt haben, geben wir unsere Suche nach der Musik auf und kehren in die Bar unweit der Piazza zurück. Andranos Akustik scheint uns an der Nase herumgeführt zu haben und hat uns dazu verführt, einen Spaziergang zu unternehmen. Die Kirchturmglocke ist weniger schüchtern und schlägt über unseren Köpfen elf.
Wir kaufen Pfirsicheis und beobachten eine Gruppe von Jungs, die versucht, eine Gruppe von Mädchen zu beeindrucken. Die lässig auf ihren lächerlichen Mopeds sitzenden Casanovas tragen Schmeißfliegensonnenbrillen, obwohl es fast schon Mitternacht ist. Sie haben gegelte Haare, spitze Hemdkrägen und modisch ausgefranste Jeans. Die Mädchen, die nicht weniger Sorgfalt auf ihr Äußeres verwendet haben, laufen kichernd auf und ab und lecken an ihrem Eis. Bei ihrem motorisierten Balzritual überprüfen die Jungen ihr Spiegelbild in den Außenspiegeln, bevor sie in die Nacht davonpreschen, immer in der Hoffnung, dass sich die Zungen ihrer Bewunderinnen nicht nur mit Eis zufriedengeben.
Wir gehen über die Boccia-Bahnen hinter der Burg nach Hause, wo in regelmäßigen Abständen zwei Kugeln aufeinanderprallen und Männer in Unterhemden in einhelliger Begeisterung laut »oooohhhhh« rufen. Zwei Teenager bewerfen sich im Burgpark gegenüber von Danielas Haus mit Steinen. Erst spaßeshalber, bis ein verirrter Stein den Scheinwerfer der Vespa eines der Streithähne trifft. »Ich mach dich fertig!«, schreit ihr Besitzer und wühlt mit bloßen Händen im Dreck, um größere, schärfere Geschütze zu finden.
Es schlägt Mitternacht, als wir uns fürs Bett fertig machen. Das ist noch früh für Andrano, aber ich bin erschöpft. Daniela, die die Hitze gewohnt ist, schläft schnell ein, während ich mich noch über eine Stunde herumwälze – der Jetlag. Dann gebe ich auf, ziehe meine Shorts an und trinke ein Bier auf den Stufen der Haustür. Trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit schallen Kinderstimmen durch die Straßen, und der Verkehr staut sich erneut auf der Via Dodici Apostoli. Um zwei Uhr nachts ist die Straße belebter als um zwei Uhr mittags.
Streunende Katzen gehen in Deckung – die Stunde der Wettrennen ist angebrochen! Für die Madonna und Padre Pio ist die Nachtschicht noch anstrengender als die Tagschicht. Heisere Vespas sausen ums Haus, manchmal drei nebeneinander. Gesteuert werden sie von gutmütigen Hooligans, die nach dem vielen Eis eine Art Zucker-Flash haben müssen. Ich sollte nervös sein, genieße die Show jedoch, obwohl mich der furchtbare Lärm zweifeln lässt, wie ich hier jemals schlafen soll.
Die Glocke schlägt dreimal, bevor die Straße still vor mir daliegt und ich zu meiner langsam atmenden geheimnisvollen Schönen auf die Matratze zurückkehre. Ich küsse ihre Schulter, und sie bewegt sich leicht. Es war ein denkwürdiger Tag in einem Ort jenseits meiner Vorstellungskraft, mit einer Frau jenseits meiner Träume.
Andrano verstummt, kühlt sich ab, erholt sich in Erwartung eines neuen Tages, der – von dem Seeigelstachel in meinem Fuß einmal abgesehen – hoffentlich genauso schön wird wie der letzte.
Als wecke ihn die ungewohnte Stille, wird der Wassermelonenverkäufer bald aus dem Schlaf schrecken, nach den Wagenschlüsseln seines verrosteten Lasters tasten und seinen quäkenden Lautsprecher anstellen. Und die Einwohner von Andrano werden noch im Schlaf auf seine pralle, reife Ware eingestimmt werden.
4
Barzinis Herausforderung
D er ältere Herr aus Neapel suchte jedes Mal umständlich nach seinem Stock, wenn wir in Turbulenzen gerieten, und rief mit einem derartig nervösen Entsetzen »Wo ist mein Stock?«, dass ich mich jedes Mal gezwungen sah, ihn zu suchen und ihn ihm zu reichen. Der kahlköpfige Passagier mit Sommersprossen auf der Glatze und einem Hörgerät hatte sich schon beim Start des Flugs nach Rom beliebt gemacht, als das Dach unseres Jumbos zu lecken begann. » La Madonna! «, hatte er ausgerufen, nach seinem Stock gegriffen und sich vor den Wassertropfen geschützt, indem er sie aufspießte.
Angesichts der alten Mr.-Bean -Folgen und der Hollywood-Schinken waren mir die Possen meines Reisegefährten wesentlich lieber als das offizielle Unterhaltungsprogramm. Er besaß dasselbe Temperament
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