Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
der sie eigentlich ist, wenn sie in den Blutkreislauf gelangt und man die Welt in anderen Farben sieht.
Daniela bestellte, indem sie auf das zeigte, was andere tranken. Die korrekte Aussprache der verschiedenen Biere bereitete sogar der Anführerin der vier Italienerinnen auf Urlaub, von denen drei überhaupt kein Englisch sprachen, Probleme. Daher entschieden sie sich hastig für Cola und überspielten ihren fehlenden Mut immerhin mit der richtigen Farbe. Daniela war da schon deutlich hemmungsloser. Sie zeigte auf mein halbvolles Glas und schickte den Barman subito zum Guinnesszapfhahn – wie mich, ein Jahr später, in ihre süditalienische Heimat.
Der einzige Satz, den ich damals auf Italienisch konnte, hätte mir definitiv eine Ohrfeige eingebracht, wenn ich so dumm gewesen wäre, ihn auszusprechen. Zum Glück konnte Daniela ein wenig Englisch, und zumindest verstand sie mich und konnte sich verständlich machen, auch wenn wir öfter auf ihr Taschenwörterbuch zurückgreifen mussten, um unser erstes Gespräch in Gang zu halten. Aber bestimmte Dinge muss man nicht übersetzen, und so standen wir mehrere Stunden später an Dublins holzkohleschwarzem Fluss Liffey und betrieben jene feinfühlige Form der Konversation, bei der so unendlich viel gesagt wird, ohne dass man ein einziges Wort wechseln muss.
Daniela hatte noch einen Tag Urlaub, bevor sie nach Italien zurückmusste, und zwischen die Sehenswürdigkeiten von Dublin und mein Hotelzimmer packten wir mindestens ebenso viel in diesen Tag, wie es Joyce mit dem 16. Juni getan hat – dem berühmten »Bloomsday« in Ulysses , an dem er sich ebenfalls verliebte. Aber je mehr Stunden verstrichen, desto mehr wurde uns die Entfernung zwischen ihrer und meiner Welt bewusst. Sie meinte, sie könne unmöglich auf die Kontinentaldrift warten, um mich wiederzusehen. Ich liebte diese Bemerkung und wollte ebenfalls nicht warten.
Ich sah zu, wie dunkle Wolken ihr Flugzeug einhüllten, und nahm dann eine Fähre über die tosende Irische See zurück nach London, wobei ich hin und her schlingerte wie ein Betrunkener.
Kurz darauf kehrte ich nach Australien zurück, was ein ohnehin schon nicht sehr wahrscheinliches Wiedersehen noch unwahrscheinlicher machte. Vier Monate mussten vergehen, bevor Daniela an Weihnachten das erste Mal nach Sydney kam, obwohl man gewissen Glucken in der Verwandtschaft weisgemacht hatte, sie würde nach Österreich (Austria) statt nach Australien (Australia) reisen. Von der darauf folgenden Osterreise (die in den Augen ihrer Verwandten nur ein weiterer Aufenthalt in Wien war) einmal abgesehen, dauerte es noch bis Juni, also bis fast ein Jahr nach unserer Begegnung im Johnny Fox, bis ich diese Geschichte einem schwerhörigen Mann erzählte, der mit seinem Weinglas Wassertropfen auffing.
Nachdem wir Australien und die unwillkommene Dusche hinter uns hatten, beschloss ich zu lesen – jetzt, wo ich mein Buch nicht mehr als Schirm missbrauchen musste. Luigi Barzini war ein italienischer Journalist, der laut vielen Kritikern das beste Porträt Italiens und des italienischen Nationalcharakters geschrieben hatte. Angesichts der Nationalität seines Verfassers ist Die Italiener bemerkenswert selbstkritisch und objektiv und bietet faszinierende Einsichten in die italienische Lebensart. Hätte ich es allerdings vor Danielas Einladung gelesen, hätte ich vielleicht nicht so schnell eingewilligt.
Von Anfang an überschattete Barzini meine Reise in seine Heimat mit Zweifeln und machte sich über die vergebliche Liebe der Ausländer zu italienischen Frauen lustig, die »von den Frauen derart angezogen werden, dass sie häufig Verstand und Sprache verlieren«. Seiner Meinung nach war ich nur einer von vielen heißblütigen Idioten, der sich von den »langen, elegant geformten Beinen, dem anziehenden und ausdrucksvollen Gesicht, dem üppigen Busen, der schlanken Taille und einem Gesäß, das harmonisch geformten Zwillingsmandolinen gleicht« einer signorina verzaubern ließ. Laut Barzini handelt es sich bei den Italienerinnen um provozierende Geschöpfe, mit denen sich die verliebten Ausländer »kaum verständigen können und die sie unter Umständen in Verruf und ins Unglück brächten«. Äh, Käpt’n, können wir bitte schleunigst wieder kehrtmachen?
Nachdem ich den ersten Schock verdaut und mehrere Schluck Wein getrunken hatte, beschloss ich, Barzinis Worte als Herausforderung und nicht als Warnung zu betrachten. Schließlich schrieb er nur, was ich
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