Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
unterschiedlich waren und immer noch keine Ahnung hatten, auf welcher Erdhalbkugel wir uns endgültig niederlassen würden, fand ich, dass Daniela und ich wirklich eine Zukunft hatten. Wir lebten seit fast zwei Jahren zusammen und verbrachten die meiste Zeit zusammen. Eine Hochzeit würde daran auch nichts ändern, sie würde nur Unmengen von Geld kosten. Aber ich bekäme eine endgültige Aufenthaltsgenehmigung, und alles, was weniger Zeit in endlosen Schlangen und auf verqualmten Behörden bedeutete, war eindeutig eine Verbesserung. Wenn wir den Bund fürs Leben eingingen, würden wir außerdem jene bösen Zungen zum Schweigen bringen, die uns seit dem Tag meiner Ankunft vorwarfen, in Sünde zu leben. Obwohl wir wie gesagt immer noch nicht wussten, wo unsere Zukunft liegen würde, reagierte Daniela auf meine Bitte, sie mit mir zu teilen, indem sie strahlte, in Tränen ausbrach und » Si, si, si «, sagte.
Ich habe lange Verlobungszeiten nie verstehen können. Ich bat Daniela, mich zu heiraten, weil ich sie so bald wie möglich heiraten wollte. Wir hatten vor, den Bund fürs Leben im nächsten Sommer einzugehen, stellten aber fest, dass jeder anständige Veranstaltungsort für eine Hochzeitsfeier auf ein Jahr hin ausgebucht war. Und zwar nicht nur die Samstage. Italiener heiraten an jedem Tag der Woche, bis auf Dienstag und Freitag, weil das laut folgendem Sprichwort Unglück bringt: »Di venere e di marte, non si sposa e non si parte « – »Am Freitag und am Dienstag wird weder geheiratet noch verreist«.
Italiener verstoßen höchst ungern gegen solche Sprichwörter. Dieses Volk, das als ausgesprochen locker und chaotisch gilt, kennt Regeln für beinahe jede Lebenssituation. Um sich beispielsweise vor der Untreue des Partners zu schützen, zögert ein abergläubischer Italiener, bevor er von irgendetwas zwei akzeptiert. Ganz einfach, weil die Zwei für die Anzahl Hörner steht, die einem von einem untreuen Partner aufgesetzt werden. Wer es schafft, der Zwei aus dem Weg zu gehen, sollte sich aber auch nicht für vier entscheiden – die Anzahl der Sargträger bei einer Beerdigung. Ich servierte Daniela einmal vier Erdbeeren mit Eis und musste miterleben, wie sie eine entfernte und in meine Schale tat. »Du kannst von Glück sagen, dass ich nicht aus Neapel bin«, sagte sie, »wo die Leute so einen Unsinn tatsächlich noch glauben.«
Einen Stuhl auf einem Stuhlbein umzudrehen bringt auch Unglück, genauso wie an der Ecke eines Tisches zu sitzen. In unserem Strandhaus gab es einen runden Tisch, sodass das kein Problem war. Doch die Form eines Tisches ist noch lange keine Gewähr für körperliche Unversehrtheit. Wenn man der Jüngste an einem Tisch mit dreizehn Personen ist – sei er nun rund oder eckig -, stirbt man vor den anderen. An Lebensmittelvergiftung vielleicht? Andere böse Omen bedrohen das Eheglück. Wenn jemand wischt und deinen Fuß mit dem Besen berührt, wird man niemals heiraten. Und wenn man schon verheiratet ist, wird man geschieden. Aber dann hat man wenigstens einen sauberen Fußboden, auf dem man zusammenbrechen und weinen kann.
Süditaliener sind angeblich abergläubischer als Norditaliener. Es gibt die Geschichte eines Mannes aus Palermo, der allein lebte – warum, wird klar, wenn man seine Geschichte kennt – und der glaubte, dass der Monat März Unglück bringt. Wahrscheinlich, weil Julius Cäsar an den Iden des März ermordet wurde. Egal, was der Grund dafür war – der Mann schloss sich kurzerhand bis um Mitternacht des 31. März in seiner Wohnung ein, um allem Übel aus dem Weg zu gehen.
Daniela litt seit unserer Beziehung an einem Fluch der ganz eigenen Sorte, musste sie doch die Traditionen ihrer Familie irgendwie mit meiner Gleichgültigkeit diesen Traditionen gegenüber vereinbaren. Das letzte Drama bestand darin, dass es mir egal war, wo wir den Bund fürs Leben schlossen. Da es in Italien schwierig zu sein schien, ein entsprechendes Lokal zu mieten, schlug ich vor, auf eine tropische Insel zu fliehen, mit Piña Coladas für die Priester und Schwarzrussen für die Brautjungfern. Daniela fand die Idee aufregend und abstoßend zugleich, schließlich musste sie auch an ihre Familie denken. Als ich eine kleine Hochzeit in Italien im Familienkreis vorschlug, rechnete Daniela kurz nach und sagte: »Toll, das sind fünfundsiebzig Personen ohne die Familie meiner Mutter.«
Die Sache musste dringend überdacht werden. Wie konnte ich irgendeine alte Tante, die nur noch wenige
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