Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
überraschte Daniela weder, noch belastete es sie. Aber was sie durchaus belastete, war die Weigerung ihrer Mutter, unserer Ehe ihren Segen zu geben, wenn sie auf der Burg stattfand. Valeria wollte einen konkreten Gott auf der Hochzeit haben oder zumindest einen aus Porzellan mit Bart und Sandalen. Das führte dazu, dass Daniela und ich im Strandhaus weiterstritten, weil ich mich über die Engstirnigkeit ihrer Mutter beschwerte. Daniela stimmte mir zu, bat mich aber um Verständnis für Valerias provinzielle Sichtweise.
Die Beziehung von Daniela und mir war wie ein Schock für Valeria, die erwartet hatte, dass ihre Tochter den Jungen heiratete, der drei Häuser weiter wohnte. Daniela war sieben Jahre mit Tomaso zusammengewesen, bevor sie nach Irland gefahren und mich mitgebracht hatte. In einem Ort wie Andrano, wo schon ein Norditaliener als Fremder gilt, ist ein Australier so etwas wie ein Außerirdischer. Trotzdem hatte Valeria diesen Außerirdischen willkommen geheißen, auch wenn das bedeutete, dass sie im Alter eventuell allein war. Ihr Mann lag im Sterben, ihr Sohn lebte in Mailand, und dann sprach Daniela auch noch davon, nach Australien zu ziehen. Trotzdem verlor Valeria nie ein Wort über ihre Angst oder ihren Schmerz. Sie pflegte Franco trotz einer Arthritis, die ihre Finger aussehen ließ wie die verkrüppelten Zweige eines Olivenbaums. Alles, was sie sich wünschte, war, dass ihre Kinder glücklich wurden. Ironischerweise sah ich, den sie als unreligiös empfand, in ihr eine lebende Heilige.
Nachdem Daniela und ich nach Mailand gezogen waren und Valeria mit Franco allein gelassen hatten, ermutigte die Mutter ihre Tochter sogar noch, in der Großstadt Fuß zu fassen. Daniela versicherte mir, dass viele andere italienische Mütter in derselben Situation ihre Töchter angefleht, wenn nicht sogar erpresst hätten zu bleiben. Trotz ihrer Selbstlosigkeit fiel es Valeria schwer, über die Grenzen ihrer kleinen Stadt hinauszudenken. Wer in Andrano überleben will, muss denken wie die Andranesi , muss dazu gehören, was Franco unmöglich gewesen war. Valeria wusste, dass Daniela und ich niemals über ihr wohnen würden. Trotzdem war es nur natürlich, dass sie es uns anbot und hoffte, wir würden einwilligen. Und wieder redete der ganze Ort über nichts anderes als darüber, dass Valeria unseren Entschluss, standesamtlich zu heiraten, nicht guthieß.
Da sie sozusagen alleinstehend war, war Valeria sehr empfänglich für die Meinungen von Freundinnen, die fast alle aus süditalienischen Provinznestern stammten. Und ihre Schwägerin, Danielas Tante Francesca, war zu allem Überfluss Nonne. Nicht gerade jemand, der Partei für die Gottlosen ergreift. Daniela wusste ganz genau, wann Zia Francesca wieder angerufen hatte, weil der Widerstand ihrer Mutter gegen die Hochzeit dann vehementer wurde. Aber sie vergab ihrer Mutter, dass sie sich einmischte, weil sie wusste, dass der Ort und ihre Tante dahintersteckten. Ich, der ich Eltern gewohnt war, die einen einfach machen lassen, hatte wesentlich mehr Schwierigkeiten mit Valerias elterlicher und spiritueller Fürsorge, die eine Beziehung, die ohnehin nicht unkompliziert war, nur noch weiter belastete.
Valeria hatte mich geliebt wie einen Sohn, und zwar seit meine burgunderrote Unterhose ihre Wäsche verfärbt hatte. » Figlio mio «, nannte sie mich. »Mein Sohn.« Die Liebe einer Mutter hat Vorteile wie Sicherheit und Spaghetti, aber auch Nachteile wie ungebetene Ratschläge und Verhöre. Während Valeria ihre neue Rolle konsequent ausfüllte, war ich weitaus weniger konsequent: Ich genoss die Vorteile, ohne etwas von den Nachteilen wissen zu wollen. Ich fand es toll, dass sie meine Unterhosen wusch, aber ihren Rat, welche Farbe sie haben sollten, ignorierte ich. Vielleicht sehnte sie sich mehr nach einem zweiten Sohn als ich mich nach einer zweiten Mutter. Ich war eher an so etwas wie Kameradschaft und Freundschaft statt an Familienzugehörigkeit interessiert, an den Nudeln statt der Nase, die in alles hineingesteckt wurde.
Die Beziehung zwischen mir und Valeria war durch mehrere schwierige, aber auch komische Situationen geprägt. Bevor wir im Strandhaus einen eigenen Telefonanschluss bekamen, schulterte ich jeden Morgen meinen Laptop und fuhr mit meiner Vespa den Hügel hoch, um bei Valeria E-Mails abzurufen. Und jeden Morgen verbrachte ich weniger Zeit im Internet als in ihrer Küche, um zu erfahren, was in Andrano alles vorgefallen war: Für wen hatten die
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