Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
einer Hand voll entlehnter Fremdwörter wie »Hotel« auf, das in Italien otel ausgesprochen wird.
Als er das Feld mit dem Einreisedatum erreichte, blätterte er meinen Pass durch und runzelte seine sonnenverbrannte Stirn.
»In Ihrem Pass muss eigentlich ein Stempel mit dem Einreisedatum sein.«
»Wann sind Sie angekommen?«, wollte Riccardo von mir wissen.
»Am 16. Juni.«
»Er ist am 16. Juni angekommen«, sagte Riccardo und erwartete, dass das Feld ausgefüllt wurde.
»Aber warum fehlt dann der Stempel?«
In einem Italienisch, das schon deutlich Fortschritte gemacht hatte, erzählte ich ihm die Geschichte von den faulen Polizeibeamten am Flughafen von Rom.
»Aber sie hätten das Visum abstempeln müssen, das Sie vom italienischen Konsulat in Sydney bekommen haben«, sagte der Inspektor stur und hielt meinen Pass hoch.
»Aber das haben sie nun mal leider nicht«, schaltete sich Daniela ein.
»Sie haben diesen Pass nicht abgestempelt, Inspektor«, sagte Riccardo, der es offensichtlich gewohnt war, das letzte Wort zu haben. Aber in diesem Fall galt das leider nicht.
Italien hat große Probleme mit illegalen Einwanderern. Allein im Jahr 2001 erreichten um die 20 000 clandestini die Küsten der Halbinsel. In der Hoffnung, ihre Armut gegen ein bisschen Wohlstand zu tauschen, setzten sie ihr Leben in lächerlichen Nussschalen aufs Spiel. Für die meisten war Italien nicht das Ziel ihrer Reise, sondern nur das Eingangstor, gewissermaßen die Nabelschnur des Kontinents – eine 1000 Kilometer lange Leiter in den Bauch eines noch größeren Europa. Wie sagen die Italiener so schön? »Wenn man nicht durch die Vordertür hereinkommt, muss man eben durchs Fenster klettern.«
Obwohl er mir nicht vorwarf, illegal eingereist zu sein, war der Inspektor nicht bereit, über den fehlenden Beweis für meine legale Einreise hinwegzusehen. Zum Glück war ich Vielflieger und hatte aus alter Gewohnheit meine Bordkarte aufbewahrt. Ein absolut eindeutiger Beweis für meine konventionelle Reise. Ich reichte sie dem Inspektor, und Riccardo sah mich bewundernd an. Seinem breiten Lächeln entnahm ich, dass ich hier ausgezeichnet herpasse. Man muss auf einiges gefasst sein, wenn man in Italien leben will.
Der Inspektor war erleichtert über diesen Kompromiss und befahl mir, die Bordkarte mitzubringen, wenn ich wiederkäme und die Dokumente dabeihätte, die mir noch für meine Aufenthaltsgenehmigung fehlten. Sie aufzutreiben sollte mich noch Wochen kosten. Anschließend leckte er die Rückseite einer Steuermarke über 20 Euro ab, die Daniela bei einem nahe gelegenen Rauchwarenladen erworben hatte, und klebte sie neben mein Passfoto auf das Antragsformular.
» Finito «, sagte er und stempelte sowohl die Marke als auch das Foto ab.
»Und was jetzt?«, fragte Riccardo.
» Impronte digitali «, entgegnete der Inspektor.
Wir gingen an den Anfang einer anderen Schlange und betraten ohne anzuklopfen ein weiteres Büro. In dem Raum, der aussah wie ein Kindergarten für Kriminelle, lagen überall weiße Blätter mit schwarzen Fingerabdrücken herum. Riccardo befahl dem diensthabenden Beamten, meine Fingerabdrücke als Nächstes zu nehmen.
»Wo kommen Sie her?«, fragte der Beamte in Zivil, während er meine Hände mit einer klebrigen, schwarzen Substanz bemalte.
»Aus Australien.«
» Australia? E che cavolo vuole qui? « Was er meinte, war, was zum Teufel ich dann hier in Italien wolle, wobei »Teufel« durch »cavolo« (Kohl) ersetzt wird.
»Ich trete im September eine Stelle in Mailand an.« Daniela nickte – mehr brauchte der Polizist nicht zu wissen.
»Ich würde liebend gern in Australien leben. Ich würde sofort dahin auswandern, wenn ich könnte. Und, ist die Polizei in Australien strenger als die in Italien?«
Auf diese Frage wusste ich keine Antwort. Zum Glück war es nur eine rhetorische Frage.
»Wie lange dauert der Flug?«
»24 Stunden.«
Ich war drauf und dran, ihm zu raten, seine Bordkarte zu behalten.
Ich wusch mir die Hände, und wir verließen die Questura . Draußen wurden wir von einer Gluthitze empfangen. Weil ich so ein schlechtes Gewissen wegen meines Vordrängelns hatte, winkte ich dem Jugoslawen schüchtern zu. In vierzig Minuten war er nur wenige Meter vorangekommen und befand sich immer noch außerhalb des Gebäudes. Riccardo bestand darauf, uns zu einem Getränk einzuladen. Er machte seinen Aufpassern ein Zeichen, indem er auf seinen Bauch klopfte und auf die Bar auf der anderen Straßenseite
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