Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
aufzuheben. Das brachte mir natürlich ein Hupen von den Arschlöchern hinter mir ein.
Die Bettler verließen sich auf die Staus, denn wenn sie sich auf die roten Ampeln verlassen hätten, hätten sie ewig warten können. Die Schüler, für die ich jeden Nachmittag meinen Hals riskierte, beschwerten sich und sagten, Englisch sei eine schwere Sprache wegen der vielen Doppeldeutigkeiten. Darauf sagte ich nur, dass sie ihre eigene Sprache deutlich unterschätzten, denn nur auf Italienisch bedeutet ein semaforo rosso – eine rote Ampel – »Halt an!« und »Fahr, wenn du kannst!«. Aber das sei etwas vollkommen anderes, wandte ein Schüler ein. »Eine rote Ampel ist ein Ratschlag, keine Regel.«
Die meisten Unfälle, in die ich verwickelt war, ergaben sich aus einer dieser Haltung entsprechenden Verachtung für rote Ampeln. Der schlimmste wurde von einem Fahrer verursacht, der eine Ampel im Kreisverkehr missachtete, mir hinten auffuhr und mich dazu brachte, eine elegante, wenn auch beängstigende Pirouette zu vollführen. Es fällt jedoch schwer, jemandem die Schuld dafür zu geben, der fähig ist, eine rote Ampel zu überfahren, während er ein Baby in seinen Armen wiegt, telefoniert und seinem neunjährigen Sohn erlaubt, im Wagen herumzuspringen wie in einer Hüpfburg.
Wer glaubt, Überwachungskameras könnten dieses Problem beheben, täuscht sich gewaltig. Als ich in Italien Auto fuhr, habe ich nur ganze zwei entdecken können, und zwar in den winzigen süditalienischen Dörfern Diso und Marittima. Und die in Marittima macht die Kreuzung nur noch gefährlicher, weil ihr die Fahrer ausweichen, indem sie auf der falschen Straßenseite fahren.
Ein weiterer Unfall wurde tatsächlich dadurch verursacht, dass ich mich weigerte, eine rote Ampel zu ignorieren. Ich hielt an einer Kreuzung und wurde angehupt, weil ich mich nicht von der Stelle rührte. Dann sauste eine Vespa vorbei, die mich um meinen Seitenspiegel erleichterte und einen Kratzer in meine Tür fuhr.
Dann machte der Fahrer auch noch mich dafür verantwortlich, hob die geballte Faust und schüttelte den Kopf. Als ich die Schule endlich erreichte, fluchte ich immer noch. Dort bemitleidete mich Danny wortreich, schien sich aber insgeheim darüber zu freuen. Endlich hatte er einen Zechkumpanen gefunden.
Meine Belohnung dafür, es bis zur Schule geschafft zu haben, war die Angst vor der Rückfahrt (das Chaos war dasselbe wie vorhin, nur bei Dunkelheit und dichtem Nebel), aber auch ein Haufen fauler Schüler, die mehr daran interessiert waren, sich mit einem Fremden als mit einer Fremdsprache anzufreunden. Auf Firmenkosten tauchten Anwälte, Buchhalter und Architekten in der Schule auf, die nicht einmal einen Stift oder ein Blatt Papier dabeihatten. Diejenigen, die selbst zahlten, waren ein bisschen ehrgeiziger, aber genauso gesprächig. Ich ließ sie gerne reden, erinnerte sie aber regelmäßig daran, das auf Englisch und nicht auf Italienisch zu tun.
Meine Fahrt zur Arbeit war ein festes Gesprächsthema. Die Schüler halfen mir, das Flickwerk auf dem Asphalt zu verstehen. Manchmal stimmten sie in meine Beschwerden mit ein, manchmal gaben sie zu, ein Teil des Problems zu sein. Aber meist waren sie so dreist und taten sowohl das eine als auch das andere. Ein junger Bankangestellter namens Angelo, ein Anfänger, was das Englische, aber ein Experte, was Italien betraf, versuchte mich eines Abends zu beruhigen, nachdem ich mich aufgrund des starken Verkehrs stark verspätet hatte – ein kleiner Rollentausch, aber egal. Der Stau war durch ein Polizeiauto verursacht worden, das mitten auf der Straße parkte. Ich sah sein Blaulicht schon von Weitem und war bereit, den Stau zu entschuldigen, wenn dafür etwas mehr Gerechtigkeit auf den Straßen herrschte. Aber als ich eine Viertelstunde später endlich daran vorbeikam, sah ich, dass die Polizisten nicht etwa Bußgeldbescheide verteilten, sondern sich in einem Straßencafé amüsierten. Ihre Mützen lagen auf dem Bartresen, während sie gerade ihre Pizza verspeisten. Angelo hörte sich meine Geschichte an, bevor er sagte: »Ja, aber das war keine richtige Polizei, denn so was hat Italien nicht. Na ja, eigentlich haben wir vier, aber keine davon taugt etwas. Sie sollten alle abschaffen und uns eine geben, auf die wir uns verlassen können.«
In der irrigen Annahme, Angelo zeige Verständnis für mich, beschwerte ich mich bei ihm über die italienischen Autofahrer. Er fand auch, dass viele Unfälle vermeidbar wären,
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