Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Ich fragte mich, wer korrupter war: der Norditaliener, der uns einen Betrug vorschlug, oder die Süditaliener, die sein Angebot ernsthaft in Erwägung zogen?
Die Einladung auf einen Kaffee lehnten wir ab, indem wir behaupteten, in der zweiten Reihe zu parken, woraufhin der Makler »Ich auch« sagte, bevor er nach seinen Zigaretten griff. Als wir zu Francescos Wohnung zurückfuhren, in der wir nur noch ein, zwei Tage verbringen würden, kamen wir an einem verlassenen Park vorbei. Im hüfthohen Gras stand ein Schild, auf dem nach einem Sponsor für den Park gesucht wurde. Vielleicht, wenn man Steuern zahlen würde …
Wir stießen kurz an, um unsere neue Wohnung zu feiern, und schrieben dann Einladungen für die Einweihungsparty, einschließlich der Wegbeschreibung und des Namens für die Klingel.
Es wäre schön, dieses Kapitel mit der frohen Botschaft beenden zu können, dass mein Päckchen endlich angekommen war. Aber die Poste Italiane überraschen einen genauso selten mit einem Happy End, wie sie ihre Arbeit tun.
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Liebeslieder, Dekolletees und Konversation
D er Januar endet mit einer Woche Regen, vom vierundzwanzigsten bis zum dreißigsten, die als i giorni della merla – die Tage der Amsel – bekannt sind. Der Legende nach soll ein großer weißer Vogel bei dem Versuch, Italiens kältester Woche zu entfliehen, Unterschlupf in einem Kamin gesucht haben, aus dem er schwarz herauskam. So fraglich der Wahrheitsgehalt dieser Legende auch ist – die Kälte ist mehr als real. Sibirische Winde fallen über die Stadt her, und der Abendhimmel färbt sich orange. Aber die betörende Farbe wärmt in etwa so sehr, wie eine Fata Morgana den Durst stillt.
Für Mailands Obdachlose ist diese Woche noch härter als ihr auch so schon harter Alltag. Deshalb sehen sich viele Landstreicher gezwungen, Hausfriedensbruch zu begehen, um den Minustemperaturen zu entfliehen. In dieser Notlage befand sich auch der vereiste Vagabund, den wir eines Morgens auf dem Rücksitz von Danielas Auto vorfanden. Sie weckte den Mann, und weil er das Kleingeld im Handschuhfach unangetastet gelassen hatte, gab sie es ihm und spendierte ihm auf diese Weise ein Frühstück. Wortlos zog der Mann von dannen, sein gesamtes Hab und Gut unter einen Arm geklemmt, und beäugte skeptisch das vage Frühlingsversprechen am Horizont.
Dass mein Postfach jeden Morgen vor E-Mails nur so überquoll, die das alljährliche Kumpeltreffen zu Hause in Australien betrafen, machte den harten Winter auch nicht gerade leichter. Während ich mich in Mailand zu Tode fror, schossen meine alten Schulfreunde mit dem Katamaran meines besten Freundes über die Wellen – mit jeder Menge Bier an Bord für zusätzlichen Ballast. Zum ersten Mal bekam ich Heimweh.
Zum Glück spendete uns unsere neue Wohnung Wärme und Wohlbehagen.
Francescos Freund Michele hatte darauf bestanden, dass wir an unserem ersten Abend in der neuen Wohnung Fisch zubereiteten, um böse Geister zu vertreiben – eine alte sizilianische Tradition, woraufhin ich meinte, die Schlösser auszutauschen sei bestimmt die bessere Methode. Abgesehen von meinem Zynismus und seinem Aberglauben hatten wir nur wenig gemeinsam. Als er zum Abendessen kam und unsere winzige Wohnung sah, rief Michele – der wie gesagt selbst auf 18 Quadratmetern hauste: » La Madonna! Die ist ja riesig. Und ihr habt einen großen Kühlschrank!« Fünf Jahre in Mailand hatten genügt, um sein Gefühl für Größenwahrnehmung vollkommen zu verzerren.
Da wir in einer anderen Region gemeldet waren, mussten wir einen 30-prozentigen Zuschlag auf unsere Stromrechnung zahlen. Trotzdem hielten sich die Nachteile dieser unwillkommenen Gesetzgebung ziemlich in Grenzen, als wir einen der wenigen Vorteile entdeckten, den das Leben in einer solchen Streichholzschachtel bereithält – nämlich den, dass sie sich durch das Anzünden eines Streichholzes beheizen lässt. Unser tauber Nachbar half uns ebenfalls sparen, da wir die Abendnachrichten hören konnten, ohne unseren eigenen Fernseher dafür zu bemühen. Und da die Wohnung im ersten Stock lag, wurde sie mehr als ausreichend von einer Straßenlaterne erhellt, die etwa einen Meter von unserem Fenster entfernt stand. Es war herrlich, endlich eine eigene Wohnung zu haben. Nachdem wir so lange auf etwas Privatsphäre hatten warten müssen, konnten wir uns jetzt ganz besonders dafür erwärmen.
Obwohl ich den leisen Verdacht hatte, dass wir nicht sehr lange in Mailand bleiben würden, lebten
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