Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
wir uns besser ein als erwartet. Mir machte mein neuer Job als Englischlehrer wesentlich mehr Spaß, als Texte für Francesco zu schreiben. Ich weiß nicht, ob er beleidigt oder froh war, als ich ihm auf Wiedersehen sagte, Fakt ist jedoch, dass Danielas Bruder auf meine Bitte nach Unabhängigkeit äußerst entspannt reagiert hatte. Ja, er hatte mir sogar geholfen, Arbeit zu finden, und mir, bevor ich endgültig den Job wechselte, zu einem Vorstellungsgespräch im Verlag eines seiner Kunden verholfen.
Während des Vorstellungsgespräches überflog ich die Publikationen des Verlegers, die Monatshefte von Polizia und Carabinieri . Dort entdeckte ich dieselben Hochglanzhelden, die auch die Wände des Reviers von Loritano schmückten. Das große Büro war minimal möbliert. Dieser Umstand und der Marmorboden sorgten für ein solches Echo, dass ich das, was ich beim ersten Anlauf nicht verstand, bei einem zweiten nachholen konnte. Was die Stellenbeschreibung betraf, hatte ich zwischen den Zeilen gelesen und begriffen, dass meine Fähigkeiten als englischer Muttersprachler hier nur wenig gefragt waren. Ich brauchte nicht lange, um die Stelle abzulehnen, die mehr nach Schönfärberei des Verlegers klang als nach einer tatsächlich einträglichen Arbeit.
Die Idee, als Sprachlehrer zu arbeiten, kam mir in dem Irish Pub unweit unserer Wohnung, wo ich mich mit dem einzigen Engländer in der Bar unterhielt. Danny lebte seit fünfzehn Jahren in Mailand, konnte aber nichts Positiveres darüber berichten, außer dass die Einheimischen »scheiße Golf spielen« und er jedes Turnier gewinne, an dem er teilnehme. Er hasste die Stadt, die er als »Dritte Welt, die sich als Erste Welt ausgibt« beschrieb. Alles nervte diesen nervösen Engländer: die Leute, der Smog, der Fußball – der von Mädchen gespielt wurde, die weinen, wenn sie verlieren, und sich küssen, wenn sie gewinnen -, das Leben, der Müll, der Nebel, die Pelze, die künstliche Bräune und vor allem die Mode, die er »oberflächlichen Nonsens für oberflächliche Leute« nannte. Dafür liebte Danny seine Frau umso mehr, die zufälligerweise aus Mailand stammte. Was sie gemeinsam hatten, kann man sich denken.
Da er in mir einen potenziellen Verbündeten oder zumindest einen objektiven Zuhörer sah, orderte Danny mehrere Runden überteuertes Guinness, und wir zerstörten gemeinsam unsere Leber, während er Dampf abließ. Die Art, wie Italiener Auto fahren, regte Danny am allermeisten auf, zumal seine älteste Tochter bald das Führerscheinalter erreichte. »Wenn sie auf diesen Straßen fahren will, dann nur in einem verdammten Panzer«, jammerte Danny in sein Pint, ein Anblick, der ihm mehr als vertraut war. In dem Moment sauste eine Vespa an der Bar vorbei, beschleunigte laut und trieb den Engländer erst recht zur Weißglut. Er sprang auf und schrie: »Ich hoffe, du krepierst mutterseelenallein und unter großen Schmerzen!« Ich glaube, es ist nur fair zu sagen, dass Danny nicht viel vom dolce vita hielt.
Der kettenrauchende Danny war genauso nervös wie ein Gefangener ohne Fluchtplan. Die Liebe zu seiner Frau schien zwar größer zu sein als sein Hass auf ihre Heimat – trotzdem brachte sie ihn um den Verstand, um sein Selbstwertgefühl und ein Vermögen, das er in den Pub trug. Der wie ein Wasserfall redende Engländer war eine tickende Zeitbombe und so etwas wie eine Warnung: Da er der Herausforderung Barzinis augenscheinlich nicht gewachsen war, war er der lebende Beweis dafür, dass es mir ganz ähnlich ergehen könnte. Ich schwor mir, mein Abenteuer abzubrechen, sobald ich anfangen würde, ihm zu ähneln. So gesehen war es nicht gerade vernünftig, sein Jobangebot anzunehmen. Nachdem ich den Feind identifiziert hatte, verbündete ich mich mit ihm. Vielleicht war ich bereits italienischer als angenommen.
Obwohl ich noch nie Englisch unterrichtet hatte – was laut Danny auch nicht notwendig war -, bestand die Herausforderung weniger in dem Job an sich als darin, heil dorthin und wieder nach Hause zu gelangen. Ich arbeitete von drei bis neun an einer Privatschule, die eine Dreiviertelstunde mit dem Auto weit weg war, und verdiente in dem halben Jahr dort kaum mehr als das, was mich die Blechschäden kosteten, die ich mir auf dem Weg von und zur Arbeit zuzog.
Daniela war eines Nachmittags auf ihrem Arbeitsweg selbst in einen Unfall mit zwei Autos verwickelt worden. Daraufhin hatte sie Napoleon durch einen Lancia ersetzt, den sie gebraucht von einem Freund von
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