Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
gut«, sagte er. »Das kann man machen. Und Sie nennen mich nicht?«
»Kein Informant, der das so will, wird genannt.«
»Ja, bis dann.«
Ich saß da auf dem harten Holzstuhl auf Emmas Terrasse und dachte melancholisch: Mein Name ist Baumeister, ich rede mit jedem, ich muss sogar mit jedem reden. Ich habe noch immer keinen Schlüssel für den Fall .
Nach einer Stunde und zwanzig Minuten rollte er auf den Hof, es war neun Uhr an diesem Abend, und der Himmel sah nach gutem Wetter aus.
Jennifer spielte die Gastgeberin, hatte Kaffee gemacht, kalte Getränke auf den Tisch gestellt, dazu Kognak und Schnäpse, Rotwein, Weißwein, Kekse und Käsegebäck - die ganze Sache wirkte richtig feudal. Ich fragte nicht, wo sie alle diese Dinge ausgegraben hatte. Von dem Käsegebäck wusste ich, dass es mehr als ein Jahr alt sein musste, und eine angebrochene Rotweinflasche erinnerte mich eindeutig an das letzte Weihnachtsfest. Sie musste den alten Schrott, den ich immer schon wegwerfen wollte, im Keller entdeckt haben.
Er war ein Kelte, ein etwa vierzigjähriger, kleiner, sehr kompakter Mann mit einem Kreuz so breit wie mein Aktenschrank. Er hatte rote, wuselige Haare ohne erkennbaren Schnitt, er hatte Pranken so groß wie kleine Bratpfannen und leuchtend blaue Augen. Er war noch nicht aus seinem Auto geklettert, als er schon lachte. Er war wohl einer dieser Eifeler Handwerker, die genau wissen, was sie können, und die sich deshalb nie auf Diskussionen über ihre Qualitäten einlassen - die stehen von vorneherein fest und sind fantastisch. Er trug eine sandfarbene Cordhose und einen kräftig grünen, einfachen Pulli, er wirkte einig mit sich selbst. Sein Auto war ein uralter, kackbrauner Mercedes, und er würde ihn noch fahren, wenn er schon ein alter Mann war.
»Ich bin der Gregor«, sagte er herzlich.
»Was soll ich Ihnen richten?«, fragte Jennifer geziert, als er sich gesetzt hatte. »Ein Bier, wenn es geht«, antwortete er. Bier hatten wir nicht.
»Dann vielleicht einen Schluck Rotwein.« Sie goss ihm von dem Rest Rotwein ein, er trank einen Schluck und sagte: »Der ist leider gekippt. Dann nehme ich vielleicht erst einmal einen Kaffee.«
Kein Zweifel, der Mann war pflegeleicht.
»Was ist denn ein Amuletthersteller?«, fragte ich.
Er lächelte und erwiderte: »Ich kann Ihnen ja schlecht mein ganzes curriculum vitae auf den Tisch legen, aber irgendwann habe ich ein Amulett gegossen und geschmiedet und meine damalige Freundin sagte: >Das ist klasse!< Da wusste ich, ich hatte einen Markt.«
»Curriculum vitae?«, fragte ich.
»Ja, ich war einmal ein Gymnasiast in Aachen. Latein, und sogar ein bisschen hebräisch. Manchmal benutze ich solche Ausdrücke, um meine gewaltige Bildung zu demonstrieren.« Er grinste, und es sah teuflisch aus.
»Kein Lebenslauf also. Wieso Amulette?«
»Also, ich hatte eine Freundin, das war vor vier Jahren etwa, die hatte eine Macke im Hirn. Nichts Gefährliches, aber eine richtige Schramme. Sie hat von morgens bis abends Reiki gemacht und auf Feng Shui geachtet, mit ihren Engeleltern gesprochen, jeden Morgen den Erzengel Gabriel angerufen, mit der toten Oma auf Wolke sieben geredet und gegen Abend dann zu Buddha gebetet. Sie war irgendwie verrückt, und ich habe sie mal erwischt, wie sie vor einem trockenen Johannisbeerstrauch gebetet hat. Der Strauch war eingegangen und sie wollte, dass er wieder ausschlug. Der schlug aber nicht aus, den habe ich verfeuert. Und die hatte Ahnung von keltischen Heilszeichen. Und ich habe, nur zum Spaß, dann ein Amulett mit diesen Zeichen entwickelt. Sieht gut aus, die Frauen mögen das!«
Es schepperte, weil er kurzerhand ein Amulett aus der Tasche gezogen und auf den Tisch geknallt hatte, eine große bronzene Brosche an einem Lederband.
»Das ist aber süß!«, rief Jennifer. »Kann ich das kaufen?«
»Siehste!«, strahlte er mich an. »Also, es sind zwei Elemente. Ein Bronzereif mit den zwölf Sternzeichen, in den ich eine kleine Bronzeplatte mit diesen keltischen Zeichen eingehängt habe. Ganz einfach, aber eben gut aussehend.«
»Und was bringt das, wenn ich mir so ein Ding um den Hals hänge?«
»Alles!«, erklärte er. »Das Ding bringt dir alles, was du gerade willst. Also: Ewige Liebe mit Frauen oder Männern, sexuelle Glückszustände jede Nacht, viele Kinder, die für deinen Unterhalt sorgen, Lottogewinne, wenn du Geld brauchst, Erfolg im Beruf, Erfolg an der Börse, Ruhe und Gelassenheit, die Angriffslust des Tigers, die Vereinigung
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