Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
gleichzeitig, dass dies eine naive Hoffnung war. Und dann fragte ich mich, warum sie denn ausgerechnet mich im Fadenkreuz hatten. Es musste dreißig, vierzig Journalisten geben, die über die Ereignisse berichtet hatten. Und ich hatte bisher kein Wort geschrieben, der Fall lief noch, war längst nicht abgeschlossen. Warum versuchten sie, ausgerechnet mich auszuschalten? Ich musste ihnen erheblich auf den Zehen gestanden haben. Aber wo, an welcher Stelle? Bei Jakob? Bei Vonnegut? Bei Franz? Etwa bei Jamie-Lee? Jamie-Lee schloss ich aus, das war nicht denkbar.
Ich rief Gregor Bleibtreu an und sagte knapp: »In ein paar Minuten bin ich da.«
»Hör mal«, sagte er beschwörend. »Und dann?«
»Die Schmiede ist offen, kein Tor davor? Kannst du irgendetwas aufbauen, was Angst macht?«
»Vielleicht mich!«, versuchte er zu scherzen. »Im Ernst, wie soll ich jemandem Angst machen? Ich bin Laie auf diesem Gebiet. Schon vergessen? Sie wollen dich, nicht wahr?«
»Ja, wollen sie. Aber keine Sorge, da sind Bullen unterwegs.«
»Dann dreh eine Ehrenrunde, dreh irgendwie eine Ehrenrunde«, drängte er.
»Das muss ich sowieso, schließlich muss ich in deinen Hof reingucken, ehe ich hineinfahre. Liegt der links oder rechts?«
»Das ist gut, ich brauche ein paar Minuten. Rechts liegt er«, sagte er hastig, als habe er den Einfall seines Lebens. Dann war er weg.
Die Frau in meinem Navigationsgerät teilte mir mit, dass ich in vierhundert Metern auf eine Kreuzung komme, an der ich rechts einzubiegen hätte. Dann seien wir nach weiteren vierhundert Metern am Ende der Reise.
»Na denn!«, sprach ich mir Mut zu und dachte daran, Griseldis anzurufen, um zu fragen, ob alle Energien in meinem Sinne strömten. Dann musste ich unwillkürlich kichern, weil ich mein ganzes Leben lang noch keine Energien gespürt hatte, die alle zu meinen Gunsten strömten. Wie fühlte sich so etwas an?
Dann dachte ich an die Eltern von Jamie-Lee, und ich dachte daran, dass ich sie gern fragen würde, ob sie vom geheimen Leben ihrer Tochter gewusst hatten. Eine Dreizehnjährige mit einem Doppelleben? Wie hießen sie doch gleich? Mannstedt, fiel mir ein.
Ich erreichte die Kreuzung, ich sah nach links, dann nach rechts, dann blinkte ich nach rechts und fuhr langsam weiter. Vierhundert Meter bis zur ersten vorläufigen Besichtigung, und der Verkehr war erheblich. Aber die hinter mir auf ihrer Kawasaki brauchten keine Furcht zu haben, dass ich ihnen entwischte, ich wollte sie erwischen. Sie mussten sich mit schnellen Sprints drei Autos nach vorn quälen, um an mir dranzubleiben.
»So ist es gut, Jungens, immer mit der Ruhe. Ich gehe euch nicht verloren.«
Die Frau in dem Kasten sagte etwas von zweihundert Metern. Ich sah nach rechts, nach links, wieder nach rechts, ich machte es so wie jemand, der eine Hausnummer sucht.
»Sie haben Ihr Ziel erreicht«, sagte die Frau.
Die Einfahrt zu Gregor war breit, richtig bequem. Zu anderen Zeiten war das wahrscheinlich ein großer Hof gewesen, viele Tiere, große Scheunen, viele Menschen. Geradeaus ein großer, offener Bereich unter einem Dach. Dort standen alle möglichen Ackergeräte. Die Schmiede auf der rechten Seite konnte ich nicht sehen, ich hatte im Rollen einen schlechten Blickwinkel. Das Wohnhaus war aus den braunen Quadern dieser Gegend gebaut, wahrscheinlich uralt.
Dann war ich vorbei, und die Frau sagte etwas vom Wenden.
Ich wendete nicht, ich fuhr an der nächsten Möglichkeit nach rechts ab. Sie waren immer noch hinter mir. Dann noch zweimal rechts. Die Frau im Navi sprach ständig vom Wenden, sagte aber dann mit viel Mut in der Stimme, ich müsse in zweihundert Metern nach links abbiegen und sei nach einhundert Metern am Ziel.
»Das wollte ich doch«, teilte ich ihr mit. Ich rollte langsam, ich rollte immer langsamer, ich setzte den linken Blinker, dann bog ich auf Gregors Hof ein. Ich machte einen Schlenker nach rechts und stand in der Einfahrt zur Schmiede. Ich sah Gregor im Dämmerlicht an der hinteren Wand stehen, und in Höhe seiner Hüfte ein grell loderndes Feuer. Ein Schmied, der schmiedete. Was sollte das?
Dann stieg ich aus. Die beiden mit der Kawasaki erschienen genau neben mir. Ich machte ein paar Schritte nach vorn, dann erstarb der Lärm des Motorrads und einer von ihnen sagte sehr laut: »Wir finden dich immer, Arschgesicht.«
Dann nahmen sie ihre Helme ab, sie trugen wieder diese Sturmhauben. Sie hatten kurze, schwarze Knüppel in den Händen, und sie schlugen damit heftig in
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