Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
ist denn bisher gelaufen? Ich nehme an, du kommst in keinem Monat richtig hin. Wer hat dir dann geholfen?«
»Semana. Die hat mich gefragt. Wenn es eng war, hat sie mir einen Hunderter gegeben, damit wir durchkommen.«
»Aber das ist doch kein Zustand!«
»Nein, ist es nicht. Aber was will ich machen?« Jetzt begann ihr Gesicht zu zucken, und sie weinte. »Manchmal denke ich: Das muss doch irgendwann mal aufhören. Aber es hört nicht auf, es geht immer weiter. Und du kommst dir vor wie der letzte Dreck.«
»Hat diese Semana auch einen richtigen Namen?«
»Ja, hat sie. Aber sie will nicht, dass er eine Rolle spielt.«
»Sagt Semana denn, dass sie dir hilft, weil du ganz unten bist, oder denkt sie, dass das ein Kredit ist, den sie dir gibt? Habt ihr da irgendetwas ausgemacht?«
»Nein, haben wir nicht.«
»Findet das mit den Hexen immer hier statt?«
»Ja, das findet immer hier statt. Die Frauen kommen und legen ihre Probleme offen, und Semana hilft ihnen.«
»Wie hilft sie denn? Wie sieht das aus?«
»Na ja, das ist verschieden, je nach Problem. Wir helfen bei unerträglichen Situationen, also wenn die Frauen sich nicht von dem Mann trennen können, obwohl der trinkt oder rumhurt oder nur noch lügt und mit anderen Frauen rummacht. Dann helfen wir, dass das funktioniert. Dann kommt Semana mit ihrer Puppe und meistens wird alles gut. Also, wenn ich die Frauen dann beim Einkaufen oder so treffe, machen die einen ganz anderen Eindruck, irgendwie fröhlicher und erleichtert. Und sie sagen mir, dass sie jetzt gut klar kommen. Und zwei oder drei haben mir gesagt, sie haben eine neue Liebe, und alles wird gut.«
»Was heißt, >Semana kommt mit ihrer Puppe«
»Na ja, sie hat eine große Puppe, selbstgemacht. Aus Stoff. Und es gibt lange Stricknadeln. Und wenn beim Ritual gefragt wird, wie der Teufel auftritt, dass also der Mann trinkt oder immer untreu ist, dann bohrt Semana der Puppe eine Stricknadel durch das Herz oder auch durch die Leber, weil der Mann mit dem Trinken aufhören soll.«
»Und das hilft?«
»Ja, ziemlich oft sogar.«
»Aber dann müsste dir das doch auch helfen, oder?«
»Eigentlich schon, aber Semana sagt, dass so etwas sehr lange dauern kann. Sie sagt, da muss ich erst durch ein tiefes Tal. Aber irgendwann wird es helfen.«
»Wie lange dauert denn deine Krise schon?«
»Zweieinhalb Jahre.«
»Hat dein Mann auch getrunken?«
»Nein, hat er nicht. Er hat mich nur mit anderen Frauen beschissen. Dauernd. Und er hat den Kindern dauernd etwas versprochen und nie eingehalten.«
»Aber du liebst ihn immer noch?«
»Ja, manchmal wenigstens.« Sie schlug beide Hände vor das Gesicht. »Es ist einfach furchtbar. Und es hört nicht auf.«
»Britt, ich brauche den bürgerlichen Namen von Semana.«
»Das kann ich nicht machen.« Sie sprang auf und lief aus dem Raum. Sie kam nach Sekunden wieder, hatte Papiertaschentücher in der Hand und schnäuzte sich ausgiebig. Sie hockte sich auf das Sofa und zog die Beine unter den Körper.
»Das musst du machen«, beharrte ich.
»Aber was soll das bringen?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich vermute, es bringt dir Klarheit.«
»Ob sie Semana heißt oder einen anderen Namen hat, ist doch egal. Was soll das bringen? Was ändert das denn an dieser Scheiße hier?«
»Vielleicht nichts, vielleicht alles. Ich weiß das nicht, ich habe nur ein Gefühl, dass da irgendetwas nicht stimmt.«
»Was soll denn da nicht stimmen? Mir geht es dreckig, meinen Kindern geht es dreckig, das ganze Leben ist dreckig. So sieht es aus, verdammt noch mal.« Jetzt war sie wütend, richtig zornig, und sie schlug hilflos mit der rechten Hand auf die Lehne des Sofas.
»Wie heißt denn die zweite Hexe aus eurem Coven?«
»Gaia.«
»Was ist das für ein Name?«
»Das ist keltisch. Sie war eine Göttin, und sie beschützte die Frauen und die Familien. Und was soll das, was soll das bringen?«
»Das weiß ich nicht. Ich denke, irgendetwas übersiehst du, oder wir übersehen es. Kannst du dich an einen Fall erinnern, in dem der Zauber besonders gut gewirkt hat? Du hast gesagt, ein paar Frauen wären dir danach richtig fröhlich vorgekommen. Welche Frau? Ich möchte mit einer sprechen.«
»Da wäre vielleicht Iris. In der Grundschule war sie schon in meiner Klasse. Aber was soll sie sagen? Sie lebt wieder mit ihrem Mann zusammen, und beide haben einen Job. Da hat es geklappt, und Semana hat gesagt, es wird alles gut.«
»Iris? Und wie weiter?«
»Iris Buschkamp. Aber was
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