Sigi Wulle 4 - Sigi Wulle raecht den Hund X
er nicht krank wird. Er stammt vom Wolf ab, der immer herumrennt, um seine Beute zu finden, egal ob die Sonne scheint oder Regen herunterplatscht oder Schneematsch herumliegt oder ein Eiswind pfeift. Außerdem müßt ihr ihn säubern, damit er nicht stinkt in der Wohnung, das heißt: ihn baden und sein Fell bürsten sowie die Ohren putzen. Zuerst tut man das alles gern, aber mit der Zeit hat man keine Lust mehr, und zuletzt wird so ein Tier von vielen Kindern nicht mehr beachtet, und den Erwachsenen fehlt die Zeit dazu.
Sodann braucht ihr viel Geduld, und zwar von Anfang an, bis ihr ihn kennt. Ein Hund ist nämlich nicht wie eine Puppe, die Mama kreischt, wenn man sie herumschmeißt, oder wie eine elektrische Eisenbahn, die losfährt, wenn man auf einen Knopf drückt, und bremst, wenn man einen Hebel herumlegt. Wollt ihr ihm etwas beibringen, so müßt ihr es schrecklich oft mit ihm üben, noch mehr, als die Pauker in der Schule etwas mit uns üben, bis wir es kapieren. Er hat nämlich genausowenig Lust wie wir, etwas zu lernen, und wenn wir fragen, weshalb wir dieses dämliche Latein büffeln sollen oder weshalb wir mit der gottverdammten Physik gepiesackt werden, dann fragt sich auch ein Hund, weshalb er Pfötchen geben soll oder kommen, wenn man „komm!“ sagt, oder sich hinhocken, wenn man „sitz!“ sagt. Er will sich davor drücken, daß man ihm etwas beibringt. Mit allen Schlichen muß man ihn dazu anhalten: mal mit einem Stück Wurst zur Belohnung, auch mal mit einem Klaps auf den Hintern. Sonst macht er nämlich, was er will, und ist eine Plage für seinen Herrn, dem er auf den Wohnzimmerteppich pinkelt, und für alle anderen Leute, die er beißt, obwohl er nur Einbrecher beißen soll. Und dann muß man Schmerzensgeld und vielleicht noch die Arztrechnung bezahlen und sich schämen für den Köter.
Am meisten müßt ihr aber Verständnis aufbringen und zuerst selbst lernen, was ein Hund für ein Tier ist und was er leisten kann. Er ist in mancher Hinsicht viel schlauer als ein Mensch. Seine Nase ist so fein, daß er Tante Felicitas sofort wiedererkennt, obwohl er sie erst einmal getroffen hat und sie eine Menge Parfüm an sich schmiert. Mit seinen Ohren hört er viel mehr Töne als wir. Aber er kann keine Zeitung lesen oder das Plusquamperfekt büffeln oder mit Messer und Gabel speisen. Und er lernt auch keinen Anstand, sondern gähnt, wenn Herr Schwabbel von seiner Bierdeckelsammlung erzählt, oder läßt einen Furz, wenn sonntags die Verwandtschaft zum Kaffeetrinken erscheint, daß es in der ganzen Stube stinkt und jeder einen roten Kopf kriegt, weil er meint, die andern könnten denken, daß er es war. Auch wird ein Hund manchmal krank und erbricht sich in der Küche, was ihr entfernen müßt, obwohl es euch anekelt, oder er hat einen Ausschlag, auf den man eine Salbe schmiert.
Das alles soll man überlegen, bevor man sich einen Hund anschafft, denn er ist ein fühlendes Wesen wie wir auch, und er leidet, wenn man ihn nicht mehr mag. Viele Leute setzen ihn dann sogar aus, vor allem im Sommer, wenn sie in Urlaub fahren wollen, diese Rücksichtslosen!
Auf einmal war der X ganz aufgeregt, und sein Schwanz wirbelte wie verrückt hinter seinem Hintern herum. Er zerrte an der Leine und zog mich durch den Maikäferwald hindurch und auf der anderen Seite heraus, wobei er arg winselte. Aha, dachte ich bei mir selbst, vielleicht klappt es diesmal, und er entdeckt den miserablen Schuft! Er zog mich über Felder und Wiesen schnurstracks einen Hügel hinauf bis zu dem Stinkkäser Hof, der allein in der Landschaft steht. Es sind mehrere Gebäude: zwei Häuser, einige Scheunen und Ställe. Der Besitzer hat drei Nachkommen, einen männlichen und zwei weibliche, die alle ziemlich deppert sind. Alles ist verwahrlost und grau, und eine Scheune ist zusammengestürzt und so verfallen, daß nur noch die Grundmauern zur Hälfte dastehen, was ein bißchen unheimlich aussieht. Außerdem erzählt man im Dorf, daß es Gespenster geben soll auf dem Stinkkäser Hof, weil der Urgroßvater des Besitzers seine Frau und einen Knecht totgeschlagen und sich selbst erhängt haben soll. Deshalb finden sie keine Ruhe und schleichen nachts durch Scheunen und Ställe und heulen fürchterlich dabei.
Nun ist aber Tag, und da gibt es kein Gespenst. Ich und der X schleichen langsam bis an einen Schlehenbusch, damit man uns vom Hof aus nicht sieht, aber wir dort alles beobachten können. Der X ist ganz außer sich, und ich denke schon, daß
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