Sigi Wulle 4 - Sigi Wulle raecht den Hund X
Uhu so prima hereingelegt hatte und nun bestimmt ein gutes Essen auf mich wartete.
Doch so kam es nicht. Es herrschte nämlich eine große Aufregung in unserem Hause. In den Augen meiner Mutter standen Tränen, die sie sich mit dem Schürzenzipfel abputzte, und mein Vater schrie, daß es ihm langt, wenn ihm nun noch der Urlaub verhunzt wird von dem verdammten Bastard. Da merkte ich, daß der X nicht vorhanden war, und ich fragte, was denn passiert sei.
„Er hat einen gebissen!“
„Wen?“
„Den Schmuß !“
„Den Schmuß ?“ fragte ich.
„Ausgerechnet den!“ schrie mein Vater. Fast mußte ich lachen, weil ich den Schmuß nicht ausstehen konnte, denn er war nicht nur ein Feind von uns Jungen, sondern hatte auch Krach mit fast allen Nachbarn. Immer rief er gleich die Polizei, wenn mal ein Fest gefeiert und in der Nacht gesungen wurde von den Besoffenen, oder er alarmierte die Feuerwehr, wenn einer nur sein Unkraut im Garten verbrannte und ein bißchen Rauch in sein Wohnzimmer zog, oder strengte einen Gerichtsprozeß an, weil der Ast eines Kirschbaums über seine Regenrinne gewachsen war. Aber ich lachte nicht, sondern machte zum Schein ein wehleidiges Gesicht.
„Wohin hat er ihn gebissen?“
„In den Hintern!“ schrie mein Vater und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Bestecke klirrten. „Ausgerechnet den Schmuß ! Und ausgerechnet in den Hintern!“ Fast hätte ich nun doch lachen müssen. Aber ich dachte an den X und fragte meine Mutter nach ihm. Sie sagte, daß Papa ihn in den Keller eingesperrt habe nach dem Skandal. Da stieg ich hinunter und befreite ihn und führte ihn in den Hof. Er schwankte ein wenig beim Laufen und winselte arg, weshalb ich ihn streichelte, um ihn zu trösten; aber da war meine Hand rot von Blut, das schwarze Fell war naß davon.
Meine Eltern kamen aus dem Haus, und mein Vater schrie noch ganz aufgeregt, daß er einen Köter nicht behalten wolle, der andere Leute anfällt, und er schaffe ihn morgen nachmittag in ein Asyl.
Als ich ihm die blutige Hand hinhielt, erschrak er, und ich fragte ihn, woher es kommt, daß ein Hund blutet, der einen anderen gebissen hat, und ob nicht der Schmuß zuerst gebissen haben könnte.
„Ein Mensch beißt doch keinen Hund!“
„Nicht selbst“, sagte ich.
„Sondern?“
„Der Hund dieses Menschen.“
„Aber..
Mehr sagte mein Vater nicht, denn ihm fiel ein, daß sich der Schmuß einen Schäferhund gekauft hatte, der nun die ganze Nacht hindurch bellte, weshalb der Schmuß jeden anderen angezeigt hätte. Er drehte sich rum und ging wieder, ohne ein Wort zu sagen, hinein.
Ich untersuchte den X und stellte fest, daß er mehrmals gebissen worden war, und zwar am Rücken und in die rechte Flanke. Auch fehlte ein Stück seines linken Ohres. Er piepte und guckte mich traurig an, als ich das Blut mit einem Lappen abwischte, und später, als die Blutung gestillt war, tat ich ihm ein bißchen Jod auf die Wunden wegen der Desinfizierung, damit keine Bazillen in die offene Wunde hineinschlüpfen und dort eine Entzündung verursachen; aber der X leckte das Jod auf und leckte immerzu an den Wunden.
„Er wird es schon richtig machen“, meinte meine Mutter. „Der Instinkt sagt einem Tier ganz genau, was es tun soll.“
Dann ging ich ins Dorf, um mich zu erkundigen, wie es sich zugetragen hatte; jedoch meine Komantschen wußten nichts davon, und auch die anderen Jungen nichts. Die Annegret begegnete mir mit einigen Freundinnen und gab sich sehr kühl. Ich erzählte ihr, wie der X geblutet hatte, was ihr schrecklich leid tat. Aber die Mädchen hatten auch nichts gehört oder gesehen. Zuletzt traf ich Gerd, der als Irokesenhäuptling Großer Büffel hieß. „Lebt er noch?“ fragte er.
„Wer?“
„Wer schon: dein X!“
„Weshalb fragst du?“
„Weil wir es gespitzt haben.“
„Was?“
„Wie der Köter vom Schmuß den deinen zugerichtet hat.“
Er erzählte mir. Es war an einem Feldweg geschehen. Der X, der einen Spaziergang machte, sah den Schmußschen Hund und kam heran, um mit ihm ein bißchen zu bellen. Worauf der Schmuß lachte und umherschaute, ob ihn auch keiner beobachtete, wobei er nicht die Irokesen bemerkte, die in einem Gestrüpp hockten. Dann ließ er den Schäferhund von der Leine und hetzte ihn auf den X, obwohl er dreimal größer ist. Aber der X wehrte sich und biß auch den Schäferhund, worauf der Schmuß sich einmischte und mit der Hundeleine auf den X eindrosch, bis dieser an ihm hochsprang und ihm in
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