Sigma Force 01 - Sandsturm
abgesehen, die sie hochgekommen waren, war dieser Ort nur über steile, fast vertikale Klippen zu erreichen. Eine Flucht zu Fuß würde nicht einfach sein.
John Kane ging zwischen seinen Männern hin und her, nickte und senkte den Kopf, um letzte Befehle zu erteilen, und kehrte dann zurück. »Wohin als Erstes?«
Safia deutete in die Richtung von Grabstätte und Moschee. Sie ging voran durch die Öffnung in der Mauer.
»Der Ort sieht verlassen aus«, bemerkte Kane.
»Irgendwo muss ein Hausmeister sein«, sagte Safia und deutete auf die Stahlkette, die locker neben dem Eingang lag. Noch hatte niemand die Stätte verschlossen.
Cassandra winkte zwei Männern. »Gelände absuchen.«
Die beiden nickten und machten sich an die Arbeit.
Cassandra ging hinter den beiden her. Safia folgte mit Kane an ihrer Seite. Sie betraten den Hof zwischen der Moschee und der beigefarbenen Grabstätte. Die einzige andere Sehenswürdigkeit der Anlage war eine kleine Ruinenstätte im hinteren Teil, neben dem Grab. Ein uralter Gebetsraum, wahrscheinlich das Einzige, was von Hiobs Haus übrig geblieben war.
Beim Grab selbst stand die Tür offen, sie war unverschlossen wie das Tor.
Safia starrte in den Eingang. »Das kann einige Zeit dauern. Ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll, nach dem nächsten Hinweis zu suchen.«
»Wenn es die ganze Nacht dauert, dann dauert es eben die ganze Nacht.«
»Wir bleiben hier?« Safia konnte die Überraschung in ihrer Stimme nicht verbergen.
Cassandra zeigte ein finster entschlossenes Gesicht. »So lange wie nötig.«
Safia schaute sich in dem Innenhof um. Sie hoffte, dass der Hausmeister das Abschließen einfach vergessen hatte und schon gegangen war. Sie fürchtete, irgendwo da draußen einen Schuss zu hören, der seinen Tod bedeuten würde. Und was, wenn andere Pilger erst später kamen? Wie viele mussten dann noch sterben?
Safia war hin- und hergerissen. Je schneller Cassandra bekam, was sie wollte, desto geringer war das Risiko, dass noch andere Menschen zu Tode kamen. Aber das bedeutete, dass sie ihr helfen musste. Und das wollte sie eigentlich nicht.
Da sie keine andere Wahl hatte, überquerte sie den Hof und betrat die Krypta. Sie hatte eine ungefähre Ahnung, was gefunden werden musste – aber keinen Schimmer, wo es versteckt sein könnte.
Einen Augenblick lang stand sie in der Tür. Die Krypta hier war kleiner als Nabi Imrans Grab, ein perfektes Quadrat. Die Wände waren weiß gestrichen, der Boden grün. Zwei rote Perserteppiche flankierten den Grabhügel, der ebenfalls geschmückt war mit Seidentüchern mit aufgedruckten Koransprüchen. Unter den Tüchern befand sich die nackte Erde, in die angeblich Hiobs Leiche gelegt worden war.
Safia umkreiste langsam den Hügel. Hier gab es keinen Marmorstein wie bei Imrans Grab, nur eine Ansammlung tönerner Weihrauchschalen und ein kleines Gefäß, in das Besucher Münzen werfen konnten. Ansonsten war der Raum ungeschmückt bis auf eine Wandtafel mit den Namen der Propheten: Moses, Abraham, Hiob, Jesus und Mohammed. Safia hoffte, dass sie auf dem Weg nach Ubar nicht die Gräber all dieser Männer aufspüren mussten. Als sie wieder am Eingang stand, war sie kein bisschen schlauer.
Von der Tür aus sagte Cassandra: »Was ist mit dem eisernen Herz? Können wir es hier benutzen?« Wie zuvor hatte sie den silberfarbenen Koffer mitgebracht und vor der Tür abgestellt.
Safia schüttelte den Kopf, sie spürte, dass das Herz hier ohne Bedeutung sein würde. Sie schlüpfte zwischen Kane und Cassandra hindurch und verließ die Grabkammer.
Als sie wieder draußen stand, merkte sie, dass sie das Grab in Schuhen betreten hatte. Auch die Haare hatte sie nicht bedeckt. Sie runzelte die Stirn.
Wo ist der Hausmeister?
Sie schaute sich verstohlen um, voller Angst um das Leben des Mannes, und hoffte noch immer, dass er bereits gegangen war. Der Wind war stärker geworden, er fuhr in den Hof und schüttelte die Blütenköpfe einer Reihe Taglilien. Die Anlage wirkte verlassen, wie aus der Zeit herausgefallen.
Und doch spürte Safia etwas … etwas, das sie nicht benennen konnte, fast eine Erwartung. Vielleicht war es das Licht. Es zeigte alles – die angrenzende Moschee, die Kanten der Mauern, sogar den festgetretenen Kies des Gartenpfads in harter, flacher Detailschärfe, ein Silbernegativ, das über eine helle Lichtquelle gehalten wurde. Sie spürte, wenn sie nur lange genug wartete, würde sich alles wieder in voller Farbigkeit und Klarheit
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