Sigma Force 01 - Sandsturm
gegen die Wand. Die Mahagonitäfelung knackte unter seinen Knöcheln. »Schneller, du Scheißding!«
Aber er wusste, dass es schon zu spät war.
14:38 GMT
London, England
Safia stand wenige Schritte von der Kensington Gallery entfernt im Korridor und konnte kaum atmen. Ihre Schwierigkeiten rührten nicht von dem Gestank von Holzrauch und verschmorten Isolierungen oder den immer noch Funken sprühenden Kurzschlüssen her. Es war das Warten. Den ganzen Vormittag über hatte sie zugesehen, wie Ermittler und Inspektoren von jeder britischen Behörde ein und aus gingen. Sie hatte man ausgesperrt.
Nur offizielles Personal war zugelassen.
Zivilisten war es nicht gestattet, hinter die flatternden gelben Absperrbänder zu treten, die Barrikaden aus Böcken zu überwinden, an den wachsamen Augen der militärischen Posten vorbeizueilen.
Einen halben Tag später ließ man sie schließlich ein, damit sie mit eigenen Augen die Zerstörung begutachten konnte. In diesem Augenblick fühlte ihre Brust sich an, als würde eine riesige Steinfaust sie umklammern. Ihr Herz war eine verängstigte Taube, die gegen das Gefängnis ihres Brustkorbs flatterte.
Was würde sie vorfinden? Was war noch zu retten?
Sie fühlte sich bis ins Mark getroffen, vernichtet, so zerstört wie die Galerie.
Die Arbeit hier war mehr als nur ihr akademisches Leben. Nach Tel Aviv hatte sie hier ihr Herz wieder aufgebaut. Und obwohl sie Arabien verlassen hatte, hatte sie es doch nie ganz hinter sich gelassen. Sie war noch immer die Tochter ihrer Mutter. Sie hatte ihre arabische Welt in London wieder aufgebaut, eine Welt vor den Terroristen, einen greif- und begreifbaren Überblick über die Geschichte dieser Region, ihrer Wunder, ihrer uralten Epochen und Geheimnisse. Wenn sie inmitten dieser Antiquitäten durch die Galerien schlenderte, hörte sie das Knirschen des Sands unter ihren Sohlen, spürte die Wärme der Sonne auf ihrem Gesicht und schmeckte die Süße frisch gepflückter Datteln. Es war ihr Zuhause, ein sicherer Ort.
Aber es war viel mehr als das. Ihr Kummer ging tiefer.
Tief in ihrem Herzen hatte sie dieses Zuhause nicht nur für sich selbst errichtet, sondern auch für die Mutter, die sie nie kennen gelernt hatte. Manchmal, wenn Safia spätabends noch arbeitete, roch sie einen schwachen Jasminduft in der Luft, eine Erinnerung an die Zeit vor ihrer Kindheit, an ihre Mutter. Auch wenn sie das Leben nicht teilen konnten, so konnten sie doch diesen Ort teilen, dieses Stück Zuhause.
Jetzt war alles verschwunden.
»Sie lassen uns rein.«
Safia drehte sich um und blickte zu Ryan Fleming. Der Sicherheitschef hatte mit ihr Wache gehalten, obwohl er so aussah, als hätte er in der letzten Nacht kaum geschlafen.
»Ich bleibe bei Ihnen«, sagte er.
Sie zwang sich, tief durchzuatmen, und nickte. Mehr im Sinne eines Dankeschöns für die Freundlichkeit und die Begleitung schaffte sie einfach nicht. Sie folgte dem anderen Museumspersonal. Sie alle hatten sich bereit erklärt, bei der Katalogisierung und Dokumentation des verbliebenen Galeriebestands zu helfen. Es würde Wochen dauern.
Safia marschierte zum Eingang, sowohl angezogen von dem, was sie finden würden, als auch voller Angst davor. Sie umrundete die letzte Absperrung. Das Sicherheitsgitter war von den Leichenbeschauern bereits abtransportiert worden. Sie war dankbar dafür. Sie spürte kein großes Verlangen danach, Harry Mastersons Überreste zu sehen.
Am Eingang blieb sie stehen und starrte hinein. Trotz ihrer eigenen mentalen Vorbereitungen und dem Blick auf die Videoaufzeichnung war sie nicht vorbereitet auf das, was vor ihr lag.
Die ehemals helle Galerie war jetzt ein geschwärztes Höhlensystem, fünf Kammern aus verkohltem Stein.
Die Luft blieb ihr weg. Hinter sich hörte sie ein Aufstöhnen.
Die Feuersbrunst hatte alles in Schutt und Asche gelegt. Die Wandverkleidung war bis zum Sockel verbrannt. Bis auf eine einzelne babylonische Vase im Zentrum der Galerie war nichts mehr so wie zuvor. Sie war etwa hüfthoch und stand, obwohl verkohlt, noch aufrecht. Safia hatte gelesen, dass Tornados Ähnliches anstellten, eine Schneise der Verwüstung schlugen, in ihrer Mitte aber ein Fahrrad auf seinem Ständer völlig unberührt stehen lassen konnten.
Das ergab keinen Sinn. Nichts von alldem.
Es roch noch immer nach Rauch, und rußiges Wasser bedeckte zentimeterhoch den Boden, eine Erinnerung an die Sintflut aus den Feuerwehrschläuchen.
»Sie brauchen Gummistiefel«, sagte Fleming,
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