Sigma Force 01 - Sandsturm
bitzelte auf seiner Kleidung. Er schmeckte die Elektrizität auch in der Luft. Sein Mund war kalkig, die Lippen spröde und trocken.
Schließlich stand er auf der Windschattenseite ihrer Unterkunft. Erst jetzt konnte er wieder richtig durchatmen. Sand stieg in wilden Strudeln hoch und wehte übers Dach. Eine Hand an die Wand gestützt, ging er weiter.
Wenige Schritte vor ihm schälte sich eine Gestalt aus der wirbelnden Dunkelheit, ein Geist, der Gestalt annahm. Ein Geist mit einem Gewehr. Es war eine der Rahim-Späherinnen, die Wache hielt. Er hatte sie erst gesehen, als er schon beinahe mit ihr zusammengestoßen wäre. Er nickte ihr kurz zu. Sie zeigte keine Reaktion. Er ging an ihr vorbei zur Tür.
Dort blieb er kurz stehen und schaute sich noch einmal um. Sie war wieder verschwunden.
War das nur der Sturm oder ihre Fähigkeit, mit der Umgebung zu verschmelzen, die Wahrnehmung zu vernebeln? Painter stand vor der Tür. Er kannte die Geschichte von Safia, aber es klang einfach zu unglaubwürdig. Zur Demonstration ihrer mentalen Fähigkeiten hatte die hodja einen hellgrünen Skorpion auf den Boden gesetzt und ihn Achten laufen lassen, immer und immer wieder, als könnte sie ihn kontrollieren. War das nur ein Trick? Wie die Schlangenbeschwörung?
Als er nach der Klinke griff, bekam der Sturm plötzlich einen etwas anderen Klang. Das Brüllen war so beständig geworden, dass er es eigentlich kaum mehr hörte. Doch nun war kurz ein tiefes Grollen zu hören, ein Geräusch, das der Wind herantrug, weniger sein eigenes. Er stand da und lauschte, versuchte, die Schleier des wehenden Sandes zu durchdringen. Der Sturm brüllte weiter. Das Grollen wiederholte sich nicht.
War das nur der Sturm? Er starrte nach Osten, denn er war sich ziemlich sicher, dass das Geräusch aus dieser Richtung gekommen war. Er riss die Tür auf und sprang halb hinein, halb wurde er vom Wind hineingedrückt.
Der Raum war gesteckt voll. Oben hörte er ein Kind schreien. Aber es fiel ihm nicht schwer, Coral in der Gruppe der Frauen zu erkennen, ein Eisberg in einem dunklen Meer. Sie saß im Schneidersitz da und reinigte eben eine ihrer Pistolen. Als sie ihn sah, stand sie auf.
Offensichtlich hatte sie seine besorgte Miene gesehen, denn sie kam mit schnellen Schritten auf ihn zu. »Was ist los?«
10:22
Alle Transporter standen im Windschatten einer Düne so aufgereiht, als würden sie auf den Beginn einer Parade warten. Männer kauerten im Schutz der Fahrzeuge, andere Details waren im trüben Dämmerlicht kaum zu erkennen. Sie waren eine Viertelmeile von Shisur entfernt.
Cassandra ging mit Kane die Reihen ab. Sie trug ein Nachtsichtgerät, eine Khaki-Uniform und einen an der Taille gegürteten Sandponcho mit Kapuze.
Kane marschierte mit einer Hand am Ohrstecker seines Funkgeräts und lauschte einem Bericht. Vor zehn Minuten war eine Abteilung von zwanzig Soldaten aufgebrochen. »Roger. Halt machen und weitere Befehle abwarten.« Er ließ die Hand sinken und beugte sich zu Cassandra. »Das Team hat den Rand des Dorfes erreicht.«
»Sie sollen das Gelände einkreisen. Das Dorf und die Ruinen. Sollen sich an Stellen postieren, wo sie ein gutes Sicht- und Schussfeld haben. Ich will, dass nichts und niemand von dort wegkommt.«
»Aye, Captain.« Er gab die Befehle über sein Kehlkopfmikro weiter.
Sie gingen bis zum Ende der Reihe, wo die sechs Pritschenwagen mit den Helikopterschlitten standen. Die Hubschrauber waren mit Planen abgedeckt und mit Gurten fest in ihren Transportvorrichtungen verankert. Auf den beiden letzten Lastwagen waren Männer damit beschäftigt, die Haltegurte der Hubschrauber zu lösen. Eine Plane wurde vom Wind erfasst und wehte wie ein geblähtes Segel davon.
Cassandra betrachtete es mit missmutigem Blick.
»Das sind Ihre beiden besten Piloten?«, fragte Cassandra, als Kane den Funkspruch beendet hatte.
»Das sollten die Mistkerle besser sein«, entgegnete Kane mit Blick auf den Sturm.
Das Leben von Cassandra wie von Kane hing jetzt vom Erfolg dieser Mission ab. Die Niederlage am Grab hatte sie beide in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Nun mussten sie sich vor dem Gildenkommando beweisen. Darüber hinaus bemerkte Cassandra jedoch eine gewisse Übellaunigkeit an dem Mann, eine neue Wildheit, weniger Humor, eine tief sitzende Wut. Er war besiegt, verletzt, verstümmelt worden. Kein Mensch tat John Kane so etwas an und lebte lange genug, um davon zu berichten.
Sie erreichten die beiden Transporter.
Cassandra
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