Sigma Force 01 - Sandsturm
riss sie aus ihrer Erstarrung. Ihr Vater schrie nur selten – und nie in Panik.
Sie legte den Gang ein und drehte am Gas. Entsetzt sah sie, dass die Sandsäule breiter geworden war, als würde sie aus unerklärlichen Strömungen im Sand Nachschub bekommen. Sie wuchs auf die Stelle zu, wo ihr Vater noch immer feststeckte.
»Papa!«, rief sie ihm warnend zu.
»Fahr los, Kind!« Schließlich konnte er mit reiner Willenskraft seine Maschine befreien. Er setzte sich fest in den Sattel, wendete das Bike und mahlte sich durch den Sand.
Kara folgte seinem Beispiel. Sie schlug den Lenker ein, gab Gas und raste den Abhang hoch. Der Sand saugte an ihren Rädern wie ein Strudel, sie wurde nach hinten gezogen. Mit all ihrem Geschick kämpfte sie gegen den Sand an.
Als sie schließlich den Rand der Senke erreichte, schaute sie über die Schulter. Ihr Vater war noch immer dicht am Grund, sein Gesicht war mit Schweiß und Sand verschmiert, die Augen hatte er vor Konzentration zusammengekniffen. Der Wirbelwind kam ihm immer näher, drohend ragte er hinter ihm auf, blitzend vor statischer Energie. Inzwischen bedeckte er den ganzen Grund der Senke.
Kara merkte, dass sie den Blick nicht abwenden konnte. Im Herzen des Sandteufels wuchs eine Dunkelheit, wurde breiter und schwärzer, massiver. Das statische Blitzen konnte sie kaum erhellen. Noch immer hing der Geruch verbrannten Fleisches in der Luft. Die frühere Warnung ihres Führers fiel ihr ein und erfüllte sie mit Grauen.
Schwarze Geister … die nisnases.
»Papa!«
Aber ihr Vater hing fest in den tieferen, stärkeren Strömungen des Wirbels und konnte nicht mehr entkommen. Der Rand der weiter anwachsenden und sich ausbreitenden Säule wischte über ihn. Sein Blick traf den ihren, und er war voller Verzweiflung, nicht wegen sich selbst, sondern wegen ihr.
Los formte sein Mund – dann war er verschwunden, aufgesaugt von der Schwärze, die den Teufel ausfüllte.
»Papa …!«
Ein entsetzlicher Schrei folgte.
Bevor sie reagieren konnte, explodierte die Sandsäule mit blendender Gewalt. Sie wurde von ihrer Maschine gerissen und in die Höhe geschleudert. Sie taumelte durch die Luft. Die Zeit dehnte sich, bis der Boden ihr entgegenraste und sie traf. Etwas in ihrem Arm brach, Schmerz durchzuckte sie, doch sie achtete kaum darauf. Sie rollte über den Sand und blieb mit dem Gesicht nach unten liegen.
Einige Atemzüge lang lag sie so da und konnte sich nicht bewegen. Aber die Angst um ihren Vater war stärker. Sie drehte sich auf die Seite und starrte hinunter zu dem rauchenden Vulkan im Sand.
Der Teufel war verschwunden, wie ausgeknipst. Übrig war nur noch ein schlieriger Dunst, der in der Luft hing. Sie setzte sich keuchend auf und umfasste ihren verletzten Arm. Das konnte doch alles nicht sein. Sie starrte in alle Richtungen.
Der Sand um sie herum lag flach und unberührt da, es waren weder Spuren noch Reifenabdrücke zu sehen. Alles war verschwunden: die sandige Senke, der blutige Oryx, das sandverschmierte Bike.
Sie starrte in die leere Ebene: »Papa …«
Ein Schrei aus der Galerie holte Kara in die Gegenwart zurück. Die Zigarette, die sie zwischen ihren Fingern vergessen hatte, war bis zum Filter heruntergebrannt. Sie stand auf und trat sie aus.
»Hier rüber!«, wiederholte der Rufer. Es war einer der Techniker. Er hatte etwas gefunden.
08:02 EST
Ledyard, Connecticut
Tief geduckt kauerte Painter Crowe in der Aufzugskabine, als die Türen im obersten Stock des Grand Pequot Tower aufgingen. Da er auf einen Hinterhalt gefasst war, hatte er seine durchgeladene Glock erhoben und den Finger am Abzug.
Der Aufzugsvorraum war leer.
Er hielt den Atem an und lauschte. Keine Stimmen, keine Schritte. Aus einem Fernseher irgendwo weiter unten plärrte Good Morning America. Für ihn war es kein besonders guter Morgen.
Er stand auf und riskierte mit schussbereiter Waffe einen Blick zur Tür hinaus. Nichts. Er streifte die Schuhe ab und klemmte einen zwischen die Türflügel, falls er sich schnell zurückziehen musste. In Strumpfsocken lief er drei schnelle Schritte zur gegenüberliegenden Wand und kontrollierte die nächste Umgebung.
Alles okay.
Er fluchte, weil er nicht genug Personal zur Verfügung hatte. Zwar standen ihm zur Verstärkung der Hotelsicherheitsdienst und die örtliche Polizei zur Verfügung, die bereits sämtliche Ausgänge bewachte, aber die Zahl der Bundesagenten war aus Respekt vor der indianischen Souveränität auf ein Mindestmaß
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