Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
wieder dem Hier und Jetzt zuwandte.
»Und dann war da noch dieses mysteriöse E «, fuhr Painter fort und deutete mit dem Kinn auf die Münze. »Es war in die Wand des innersten Heiligtums eingeritzt.«
»Und was bedeutet es?«
Painter zuckte mit den Schultern. »Das weiß niemand.
Nicht einmal die Griechen selbst. Seit Plutarch, dem griechischen Gelehrten, haben Historiker die verschiedensten Spekulationen angestellt. Bei den Gegenwartshistorikern herrscht die Ansicht vor, es müsse einmal zwei Buchstaben gegeben haben. Ein E und ein G , das Zeichen der Erdgöttin Gaia. Der erste Tempel von Delphi wurde Gaia zu Ehren errichtet.«
»Wenn die Bedeutung unklar ist, weshalb wurde der Buchstabe dann auf der Münze abgebildet?«
Painter schob Gray den Untersuchungsbericht zu. »Darin erfahren Sie mehr. Das E ist das Symbol eines Prophezeiungskults. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es auf zahlreichen Gemälden dargestellt, unter anderem auf Nicolas Poussins Ordination , wo es über dem Kopf Christi erscheint, als er Petrus den Himmelsschlüssel überreicht. Das Symbol markiert eine Zeit des grundlegenden Wandels, der von einer einzelnen Person bewirkt wird, sei es vom Orakel von Delphi oder Jesus von Nazareth.«
Gray klappte den Bericht zu und schüttelte den Kopf. »Aber was hat das alles mit dem Toten zu tun?« Er nahm die Silbermünze in die Hand. »Ist sie so wertvoll, dass man deswegen tötet?«
Painter schüttelte den Kopf. »Besonders wertvoll ist sie nicht. Sie kostet gutes Geld, aber der Marktpreis ist eher als moderat zu bezeichnen.«
»Worum geht es dann?«
Das Summen der Sprechanlage unterbrach ihn. »Direktor Crowe, bitte entschuldigen Sie die Störung«, tönte die Stimme seines Assistenten aus dem Lautsprecher.
»Was gibt es, Brant?«
»Dr. Jennings von der Pathologie wünscht Sie dringend zu sprechen. Er hat um eine Videokonferenz ersucht.«
»Ist gut. Stellen Sie ihn auf den Monitor.«
Gray erhob sich und wollte gehen, doch Painter bedeutete
ihm, sich wieder zu setzen, dann schwenkte er seinen Sessel herum. Sein Büro lag im unterirdischen Bunker und war fensterlos, doch an der Wand hingen drei große Plasmabildschirme. Das waren seine persönlichen Fenster in die Welt.
Painter blickte in ein Pathologielabor. Im Vordergrund stand Dr. Malcolm Jennings. Der sechzigjährige Leiter der Forschungsabteilung von Sigma trug einen Chirurgenkittel und einen Gesichtsschutz aus Plastik. Hinter ihm erstreckte sich das Labor: versiegelter Betonboden, mehrere digitale Waagen und in der Mitte ein Leichnam, der respektvoll abgedeckt war.
Professor Archibald Polk.
Es hatte ein paar Telefonate erfordert, um den Leichnam vom städtischen Leichenschauhaus in die Sigma-Zentrale verlegen zu lassen, doch Malcolm Jennings war ein hoch angesehener Pathologe.
Seinem grimmigen Gesichtsausdruck nach zu schließen stimmte etwas nicht.
»Was gibt es, Malcolm?«
»Ich musste das Labor unter Quarantäne stellen.«
Sein Tonfall gefiel Painter nicht. »Besteht die Gefahr einer Ansteckung?«
»Eine Ansteckung ist nicht zu befürchten, aber Gefahr besteht durchaus. Warten Sie, ich zeig’s Ihnen.« Er trat aus dem Erfassungsbereich der Kamera hinaus, war aber weiterhin klar und deutlich zu verstehen. »Bereits bei der Voruntersuchung wurde ich misstrauisch. Dem Mann gehen büschelweise die Haare aus, der Zahnschmelz ist angegriffen, und er weist Hautverbrennungen auf. Wäre er nicht erschossen worden, wäre er in wenigen Tagen gestorben.«
»Was sagen Sie da, Malcolm?«
Jennings hatte ihn anscheinend nicht gehört. Der Pathologe
kam wieder ins Bild, doch jetzt trug er eine dicke Schürze. Er hielt ein Gerät in der Hand, das mit einem schwarzen Stab verbunden war.
Gray erhob sich und trat näher an den Monitor heran.
Dr. Jennings schwenkte den Stab über dem Toten. Das Gerät in seiner anderen Hand begann heftig zu klicken. Der Pathologe blickte wieder in die Kamera.
»Der Leichnam ist radioaktiv.«
2
5. September, 17:25 Washington, D.C.
IN DER DRÜCKENDEN Nachmittagsschwüle schritt Gray über den Gehsteig vor dem Smithsonian Castle. Zu seiner Linken breitete sich die National Mall aus, die wegen der Hitze nahezu menschenleer war.
Der Tatort war mit Plastikband abgesperrt. Die Spurenermittler hatten ihre Arbeit zwar schon beendet, doch die Stelle wurde noch von einem Polizisten bewacht.
Gray ging in östlicher Richtung über den Jefferson Drive. Ein groß gewachsener Bodyguard folgte ihm auf den Fersen, doch er
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