Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
Ohr. Während er darauf wartete, dass die Verbindung hergestellt wurde, ließ er sich auf eine Bank sinken. Sein Blick fiel auf den gegenüberliegenden Spind. Auf ein Stück Klebeband an der Tür hatte jemand mit schwarzem Filzstift den Namen des ehemaligen Besitzers geschrieben.
KOKKALIS.
Obwohl Monk mit Sicherheit tot war, hatte sich niemand aufraffen können, das Klebeband zu entfernen. Es war ein Hoffnungszeichen. Auch wenn Gray vielleicht der Einzige war, der die Hoffnung nicht aufgeben wollte.
Das war er seinem Freund schuldig.
Monk hatte zusammen mit Gray bei Sigma Karriere gemacht. Er war zum gleichen Zeitpunkt, als man Gray aus dem Leavenworth Gefängnis herausgeholt hatte, von den Green Berets angeworben worden. Gray hatte in Leavenworth eine Haftstrafe wegen Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten verbüßt, die er sich während seiner Dienstzeit bei den Army Rangers hatte zuschulden kommen lassen. Sie waren rasch Freunde geworden, obwohl sie bei Sigma ein seltsames Paar gewesen waren. Monk war nur knapp eins sechzig groß gewesen und hatte neben dem größeren, hageren Gray wie ein geschorener Pitbull gewirkt. Die eigentlichen Unterschiede
aber lagen tiefer. Mit seiner lockeren Art hatte er einen günstigen Einfluss auf den kompromisslosen, stahlharten Gray ausgeübt. Ohne die Freundschaft zu Monk wäre Gray vermutlich bei Sigma ebenso gescheitert wie bei den Army Rangers.
Während er wartete, dachte Gray an seinen ehemaligen Partner. Im Laufe der Jahre hatten sie viele brenzlige Situationen gemeistert. Monks zahlreiche Narben waren ein Beleg dafür gewesen. Bei einem Einsatz hatte er sogar die linke Hand verloren und trug seitdem eine Prothese. Gray vernahm im Kopf noch immer Monks bellendes Gelächter … und seine leise, eindringliche Stimme, die den hohen IQ des Gerichtsmediziners und Wissenschaftlers durchklingen ließ.
Wie war es nur möglich, dass ein solch eindrucksvoller, lebendiger Mensch einfach spurlos verschwand?
Endlich klickte es in der Leitung. »Captain Ron Trypol …«
»Captain, hier spricht Gray Pierce.«
»Ah, Commander. Gut, dass Sie anrufen. Ich hatte gehofft, Sie noch heute Nachmittag zu sprechen. Bis zur nächsten Sitzung bleibt mir nicht viel Zeit.«
Der Mann klang gestresst. »Captain?«
»Ich komme gleich zur Sache. Ich habe Anweisung, die Suche abzubrechen.«
»Was?«
»Wir konnten bislang zweiundzwanzig Leichen bergen. Ein Abgleich des Zahnstatus hat ergeben, dass Ihr Mann nicht dabei ist.«
»Nur zweiundzwanzig?« Das war selbst nach zurückhaltenden Schätzungen nur ein Bruchteil der Toten.
»Ich weiß, Commander. Aber die Bergungsarbeiten wurden durch die extreme Tiefe und den hohen Druck erschwert. Der Grund der Lagune ist von Höhlen und Lavakanälen durchzogen, die ein Labyrinth mit meilenweiten Gängen bilden.«
»Aber trotzdem …«
»Commander«, sagte Trypol mit fester Stimme. »Vor zwei Tagen haben wir einen Taucher verloren. Einen guten Mann mit Familie und zwei Kindern.«
Gray schloss die Augen. Er wusste, wie sehr ein solcher Verlust die Hinterbliebenen schmerzte.
»Wenn wir die Höhlen noch länger absuchen, setzen wir das Leben weiterer Männer aufs Spiel. Und wozu das alles?«
Gray schwieg.
»Commander Pierce, ich nehme an, Sie haben ebenfalls nichts Neues zu vermelden. Keine geheimnisvollen Botschaften mehr?«
Gray seufzte.
Um den Captain zur Zusammenarbeit zu bewegen, hatte er ihm von der einen Botschaft erzählt, die er erhalten hatte … oder möglicherweise erhalten hatte. Der Vorfall hatte sich ein paar Wochen nach Monks Verschwinden ereignet. Von dem Einsatz auf der Insel hatte er Monks Handprothese übrig behalten, ein Biotechnologieprodukt, ausgestattet mit neuester DARPA-Technik und einer Funkschnittstelle. Als er die Prothese zu Monks Bestattung bringen wollte, hatten die Finger ein schwaches SOS gemorst. Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert - und Gray allein hatte es gehört. Dann hatte es wieder aufgehört. Die Techniker, welche die Hand untersuchten, waren zu dem Schluss gekommen, es habe sich um einen elektrischen Kurzschluss gehandelt. Im digitalen Protokoll der Hand war kein hereinkommendes Funksignal vermerkt gewesen. Es war eine Fehlfunktion aufgetreten. Das war alles. Ein elektrischer Flaschengeist.
Gray aber wollte die Hoffnung nicht aufgeben - auch wenn Woche um Woche verstrich.
»Commander?«, sagte Trypol.
»Nein«, räumte Gray verdrossen ein. »Keine weiteren Botschaften.«
Nach kurzem Schweigen
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