Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
wäre auch endgültig aus dem Fall raus. Das Geheimnis des Lederbeutels würde sie womöglich niemals lüften. Außerdem konnte sie sich eines Anflugs von Stolz nicht erwehren. Die Spurensicherung hatte den Beutel übersehen. Und sie vertraute eher ihrem Bauch als dem Kompetenzgerangel der nationalen und internationalen Behörden.
Ihr Bauch sagte ihr auch, dass sie überfordert war. Sie brauchte Unterstützung. Sie würde Grays Ankunft abwarten, sich mit ihm besprechen und dann überlegen, wie es weitergehen sollte.
Als das entschieden war, steckte Rachel den Plastikbeutel in die Jackentasche. Sie stieg aus und wandte sich zur Treppe. Ihre Wohnung lag im zweiten Stock. Sie war zwar klein, doch vom Balkon aus hatte sie eine hübsche Aussicht auf das Kolosseum.
Im zweiten Stock angelangt, drückte sie die Tür zum Flur auf. Zwei Dinge fielen ihr auf. Signora Rosselli verwendete beim Kochen wieder einmal zu viel Knoblauch, und aus dem Türspalt ihrer Wohnung fiel Licht auf den Gang.
Rachel blieb stehen. Wenn sie ausging, schaltete sie immer das Licht aus. Andererseits war sie heute Morgen durcheinander gewesen. Vielleicht hatte sie es einfach nur vergessen.
Da sie kein Risiko eingehen wollte, schlich sie auf Zehenspitzen durch den Flur. In dieser Stadt wimmelte es von Einbrechern und Taschendieben, und Wohnungseinbrüche gab es in dieser Gegend häufiger. Den Blick hatte sie auf den leuchtenden Türspalt gerichtet. Als sie näherkam, wanderte ein Schatten hindurch.
Rachel schauderte.
Jemand war in ihrer Wohnung.
Lautlos fluchend wich sie zurück. Sie war unbewaffnet. Sie überlegte, ob sie bei Signora Rosselli klopfen sollte, dann wäre sie zumindest vom Flur weggewesen, doch der Knoblauch brannte ihr bereits in der Nase. In der vollgestopften Wohnung der alten Dame würde der Gestank betäubend sein. Stattdessen nahm sie das Handy aus der Tasche.
Sie ging zurück zum Treppenhaus, ohne ihre Wohnungstür aus den Augen zu lassen. Als sie auf den Treppenabsatz trat, drückte ihr jemand etwas Kaltes in den Nacken.
Das konnte nur eine Pistolenmündung sein.
Die barsche Stimme bestätigte ihre Befürchtung. »Keine Bewegung. «
4
10. Oktober, 15:28 Rockville, Maryland
MONK LIESS SEINE kleine Tochter auf dem Knie hüpfen. Penelope quiekte; das etwas dümmliche Lächeln hatte sie von ihrem Vater. Zum Glück war das auch schon alles. Die hellbraunen Locken und die zarten Gesichtszüge hatte sie von ihrer Mutter geerbt.
»Monk, wenn sie wieder spucken muss . . .«
Kat kam aus der Küche und trocknete sich mit einem Handtuch die Hände ab. Sie trug immer noch ihr blaues Kostüm. Erst vor einer Stunde war sie vom Capitol Hill zurückgekommen, wo sie mit ehemaligen Geheimdienstlern gesprochen hatte, um Sigma zu helfen und Painter Crowe ein wenig mehr politische Rückendeckung zu verschaffen. Als einziges Zugeständnis an den heimischen Herd hatte sie ihr Haar gelöst, das ihr nun über die Schultern fiel.
Monk trug Trainingshose und T-Shirt. Nachdem er Gray am Flughafen abgesetzt hatte, war er gleich zu ihrem Haus in Maryland zurückgefahren. Was blieb ihm auch anderes übrig? Er wusste, dass Gray sich dafür eingesetzt hatte, ihn an der Ermittlung in Italien zu beteiligen. Doch außer Gerede war nichts gewesen.
Er setzte sich das Kind auf den Schoß.
»Ich hab ihr das Fläschchen angewärmt«, meinte Kat und näherte sich ihm, um Penelope zu übernehmen. Plötzlich stolperte sie und taumelte einen Schritt nach vorn, bis sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Sie sah zu Boden. »Monk, wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst deine Hand nicht herumliegen lassen?«
Monk massierte sich den Armstummel. »Die neue Prothese scheuert noch.«
Kat seufzte schwer und hob Penelope hoch. »Weißt du eigentlich, wie teuer so ein Ding ist?«
Monk zuckte mit den Schultern. Die von der DARPA entwickelte Prothese war ein Wunderwerk der Biotechnologie, ausgestattet mit der modernsten Mechanik und den neuesten Antriebselementen, die ein sensorisches Feedback gaben und hochpräzise Bewegungen ermöglichten. Zusätzlich wurde Monks Armstummel von einer Plastikmanschette umhüllt, die chirurgisch angepasst und mit Nervenleitern und Sehnen verbunden war.
Monk drückte auf die Titankontakte an der Armmanschette. Die körperlose Hand am Boden stellte sich ferngesteuert auf die Fingerspitzen. Wenn die Handprothese der Muskel war, dann war die Manschette das Gehirn. Monk lenkte die Hand zum Sofa, hob sie hoch und befestigte
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