Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
den Fischen in Seen und Flüssen. Bis heute gilt das Buch als umfassendste Quelle für die Lebensverhältnisse der damaligen Zeit.«
»Das ist ja alles schön und gut«, sagte Gray, um das Ganze ein wenig abzukürzen. »Aber Sie haben erwähnt, ein bestimmter Eintrag habe die Ausgrabung an diesem Ort veranlasst. Was haben Sie damit gemeint?«
»Also, jetzt kommen wir zur Sache! Wissen Sie, das Domesday Book wurde in einer kryptischen Form des Lateinischen verfasst, und zwar von einem einzigen Schreiber. Weshalb diese Sicherheitsvorkehrung nötig war, liegt immer noch im Dunkeln. Manche Historiker glauben, diese gewaltige Zusammenstellung könnte noch einen anderen, einen geheimen Zweck verfolgt haben. Zumal einige Orte in dem Buch mit dem geheimnisvollen Vermerk ›verwüstet‹ versehen sind. Die meisten dieser Orte liegen im Nordwesten Englands, wo die Grenzen sich ständig verändert haben.«
»Mit Nordwesten meinen Sie den Lake District, nicht wahr?«, sagte Rachel.
»Richtig. Im County Cumbria wurden zahlreiche Grenzkriege geführt. An den meisten der als ›verwüstet‹ gekennzeichneten Orte hat die Armee des Königs eine Stadt oder ein Dorf zerstört. Das wurde vermerkt, da eine Siedlung, die nicht mehr existierte, keine Steuern entrichten konnte.«
»Tatsächlich?«, meinte Kowalski, wobei er seine beiden Biergläser fixierte. »Haben Sie etwa noch nicht von der Totensteuer gehört?«
Wallace blickte von Kowalski zu Gray.
»Beachten Sie ihn einfach nicht«, empfahl ihm Gray.
Wallace räusperte sich. »Bei genauerer Betrachtung stößt
man im Domesday Book auf einen Widerspruch. Nicht alle als ›verwüstet‹ gekennzeichneten Orte waren vom Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden. Einige Verweise lassen sich nicht erklären. Diese wurden mit roter Tinte geschrieben, als habe jemand auf etwas Bedeutsames hinweisen wollen. Ich habe zehn Jahre lang nach der Erklärung für einen dieser Einträge gesucht, der sich auf ein nicht mehr existierendes kleines Dorf in den Fells bezieht. Ich habe nach Hinweisen auf das Dorf gesucht, doch es war, als wäre es ausgelöscht worden. Ich wollte schon aufgeben, da stieß ich auf einen Vermerk im Tagebuch eines königlichen Coroners namens Martin Borr. Das habe ich in St. Michael’s entdeckt.«
Er zeigte zu der Kirche am Dorfrand hinüber. »Das Tagebuch wurde bei Renovierungsarbeiten in einem zugemauerten Kellerraum entdeckt. Borr wurde auf dem Friedhof von St. Michael’s bestattet, sein Besitz fiel an die Kirche. Aus seinen Aufzeichnungen ging zwar nicht hervor, was genau mit dem Dorf passiert war, doch sie deuten auf ein grauenhaftes Vorkommnis hin, das die Bezeichnung ›Doomsday Book‹ als die passendere erscheinen lässt. Er hat das Tagebuch sogar mit einem heidnischen Symbol gekennzeichnet, das mich überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht hat.«
»Ein heidnisches Symbol?« Rachels Hand wanderte zur Manteltasche, in der sie den Lederbeutel mit dem makaberen Inhalt verwahrte.
Gray schloss die Hand um ihre Finger und drückte sie sanft und vielsagend. Solange er nicht wusste, woran er mit dem Mann war, wollte er ihren Fund nicht preisgeben. Rachel schluckte, zog verwirrt die Hand zurück und legte sie flach auf die Tischplatte.
Wallace hatte den wortlosen Austausch nicht bemerkt. »Das Symbol ist eindeutig heidnischen Ursprungs. Moment, ich mal’s Ihnen auf.« Er tauchte den Zeigefinger ins Bier und zeichnete
mit derbem Strich einen Kreis mit einem eingeschriebenen Kreuz. Das Symbol war ihnen gut bekannt.
»Ein geviertelter Kreis«, sagte Gray.
Wallace hob die Brauen. »Genau. Dieses Zeichen findet man an vielen alten Orten. Aber es hat mich doch erstaunt, es im Tagebuch eines Christen zu finden.«
Rachel spürte, dass sie dem Kern der Sache allmählich näher kamen. »Und mithilfe des Tagebuchs haben Sie das Dorf in den Bergen entdeckt?«
»Das kann man so nicht sagen.« Wallace lächelte. »Meine Entdeckung ist noch weit aufregender.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte sie.
Wallace lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ den Blick über seine Gesprächspartner wandern. »Bevor ich Ihre Frage beantworte, würde ich gern wissen, was hier eigentlich vorgeht. Was machen Sie überhaupt hier?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.« Gray stellte sich dumm, denn er wollte vermeiden, dass ihre Tarnung aufflog.
»Tun Sie nicht so, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Ich will verdammt sein, wenn Sie Reporter sind.«
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