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Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen

Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen

Titel: Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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kaum etwas Schönes erlebt. Allerdings hatte es dort ein paar Bücher gegeben, darunter auch mehrere von Beatrix Potter, die ein katholischer Missionar angeschafft hatte. In diesen Büchern hatte sie ihre wahre Kindheit ausgelebt, sie hatten ihr Zuflucht vor Hunger, Missbrauch und Vernachlässigung geboten. Als junges Mädchen hatte sie sich aus Sackleinenresten einen Spielzeughasen gebastelt und ihn mit Reiskörnern ausgestopft. Damit er ihr nicht gestohlen wurde, hatte sie ihn hinter einem losen Wandbrett versteckt, doch irgendwann hatte eine Ratte die Füllung verspeist. Sie hatte einen Tag lang geweint, bis eine der Aufseherinnen sie verprügelt hatte, um ihr klarzumachen, dass an diesem Ort sogar die Trauer ein verbotener Luxus war.
    Seichan wandte dem Schaufenster den Rücken zu und verdrängte die Erinnerungen. Dabei quälte sie nicht nur die Vergangenheit. Durch das Hotelfenster beobachtete sie, wie Gray sich mit einem älteren Mann in Tweedkleidung unterhielt. Das musste Dr. Wallace Boyle sein. Seichan musterte Gray. Sein schwarzes Haar war länger und an der Stirn glatter geworden. Seine Gesichtszüge hatten sich verhärtet, seine Wangenknochen standen hervor. Um die eisblauen Augen hatte er Falten angesetzt – keine Lachfältchen, sondern Spuren der zurückliegenden anstrengenden Jahre.

    Wie sie so mit Schnee bestäubt in der Kälte stand, dachte Seichan an seine Lippen. In einem Moment der Schwäche hatte sie ihn geküsst. Ohne Zärtlichkeit, sondern voll verzweifelter Gier. Trotzdem hatte sie seine warmen Lippen, seinen rauen Stoppelbart und seine feste Umarmung nicht vergessen. Am Ende war der Vorfall für sie beide ohne Folgen geblieben.
    Durch die Manteltasche hindurch streichelte sie ihre Bauchnarbe.
    Sie hatten ein Spiel gegenseitiger Täuschung betrieben.
    So wie jetzt.
    In der Manteltasche vibrierte das Handy.
    Endlich .
    Das war der wahre Grund, weshalb sie draußen in der Kälte geblieben war. Sie klappte das Handy auf.
    »Ja?«, meldete sie sich.
    »Haben sie noch das Paket?« Die Anruferin hatte einen amerikanischen Akzent; er klang ruhig und gelassen, aber mit scharfem Unterton. Krista Magnussen war ihre einzige Kontaktperson.
    Seichan widerstrebte es, Befehle entgegenzunehmen, doch sie hatte keine Wahl. Sie musste sich bewähren. »Ja. Das Artefakt ist in Sicherheit. Im Moment sprechen sie mit dem Professor. «
    »Ausgezeichnet. Wir schlagen zu, sobald sie am Ausgrabungsort in den Bergen eingetroffen sind. Das Team hat in der Nacht Sprengladungen angebracht. Der Schnee sollte die Spuren inzwischen verdeckt haben.«
    »Und das Einsatzziel?«
    »Bleibt unverändert. Wir machen ihnen Feuer unter dem Hintern. Und zwar buchstäblich. Der Ausgrabungsort stellt mittlerweile eher eine Belastung dar. Dessen Zerstörung muss jedoch so erfolgen, dass man von natürlichen Ursachen ausgeht. «

    »Und dafür haben Sie Sorge getragen.«
    »Ja. Sie können sich somit ganz auf Ihre Aufgabe konzentrieren. «
    Seichan war die versteckte Drohung nicht entgangen. Wenn sie versagte, würde man keine Entschuldigung akzeptieren. Sie fasste die Italienerin in den Blick. Rachel lächelte über eine Bemerkung des Professors; trotz der Entfernung lag ein warmes Funkeln in ihren Augen.
    Seichan hatte nichts gegen Rachel Verona – das würde sie jedoch nicht davon abhalten, sie zu vergiften.
    11:11
    RACHEL LAUSCHTE DER Unterhaltung. Die historischen Ausführungen des Professors waren zwar interessant, doch sie spürte, dass dies nur die Oberfläche war – zu Pater Giovanni und der Ausgrabung war noch längst nicht alles gesagt. Der Blick des Professors verweilte auf ihr – nicht begehrlich, sondern eher abschätzend. Es fiel ihr schwer, seinen Blick zu erwidern.
    Was ging hier vor?
    »Ich verstehe das noch immer nicht«, sagte Gray. »Was hat das ›Doomsday Book‹ mit Ihrer Entdeckung in den Bergen zu tun?«
    Wallace bat mit erhobener Hand um Geduld. »Zunächst einmal lautete die Bezeichnung des Buches nicht ›Doomsday‹, sondern Domesday . Nach dem altenglischen Wort ›dom‹, was so viel wie ›zählen‹ oder ›berechnen‹ bedeutet. Das Buch wurde von König William in Auftrag gegeben und sollte dazu dienen, den Wert der neu eroberten Ländereien festzustellen und die Steuern und den Zehnten festzulegen. Ganz England war darin
verzeichnet, jede einzelne Stadt, jedes Dorf und jedes Herrenhaus. Die lokalen Ressourcen waren akribisch vermerkt, angefangen von der Zahl der Tiere und der Pflugscharen, bis zu

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