Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
Wallace sah Rachel an. »Außerdem habe ich Sie gleich erkannt, junge Frau. Sie sind Monsignor Veronas Nichte.«
Rachel suchte bestürzt Grays Blick. Er sah aus, als habe man ihn in den Magen geboxt. Kowalski rollte nur mit den Augen, hob das Glas und leerte es in einem Zug.
Rachel sah keinen Grund mehr, die Verstellung aufrechtzuerhalten. Sie wandte sich dem Professor zu. Jetzt war ihr klar, weshalb er sie so eigentümlich gemustert hatte. »Sie kennen meinen Onkel?«
»Aye. Nicht gut, aber ich kenne ihn. Und es tut mir leid, dass er immer noch im Koma liegt. Wir sind uns vor ein paar Jahren bei einem Symposium begegnet und korrespondieren seitdem. Ihr Onkel ist sehr stolz auf Sie – eine Carabiniere, die Kunstdiebstähle
aufdeckt. Er hat mir Fotos von Ihnen geschickt, und in meinem Alter vergisst man ein hübsches junges Gesicht wie das Ihre nicht so schnell.«
Rachel bat Gray mit einem wortlosen Blick um Verzeihung. Von dieser Verbindung hatte sie nichts gewusst.
»Ich weiß nicht, was Sie mit der Tarnung bezwecken«, fuhr Wallace fort, »aber bevor wir unser Gespräch fortsetzen, bestehe ich auf einer Erklärung.«
Ehe jemand etwas sagen konnte, begann der Terrier des Professors leise zu knurren. Der Hund erhob sich von seinem Platz am Kamin und blickte zum Eingang des Hotels. Als die Tür aufschwang, wurde das Knurren lauter.
Doch es war nur Seichan.
13
12. Oktober, 13:36 Oslo, Norwegen
DAS MITTAGESSEN KLANG mit einer Warnung aus.
»Die Menschheit darf sich mit ihrer Antwort auf die Krise nicht länger Zeit lassen«, sagte Ivar Karlsen am Podium des Speisesaals. »In dieser oder der nächsten Generation droht ein globaler Zusammenbruch.«
Painter teilte sich den Tisch an der Rückseite des Saals mit Monk und John Creed. Sie waren erst vor einer Stunde in Oslo eingetroffen und hatten es mit knapper Not zum Eröffnungsessen des Welternährungsgipfels geschafft.
Der Speisesaal der Burg Akershus schien einem Bilderbuch übers Mittelalter entsprungen. Von Hand behauene Balken stützten die Decke, die Eichenbohlen des Bodens waren im Fischgrätmuster verlegt. Über den langen, leinengedeckten Tischen hingen funkelnde Kronleuchter.
Es hatte ein Fünf-Gänge-Menü gegeben, eine ironische Pointe bei einer Zusammenkunft, die sich mit dem Hunger in der Welt befasste. Das Essen war typisch gewesen für die norwegische Küche; unter anderem gab es Rentiermedaillons in Pilzsoße und scharfen Lutefisk, eine norwegische Felchenspezialität. Monk war noch damit beschäftigt, die letzten Moltebeeren
aus der Schlagsahne zu fischen. Creed hielt eine Tasse Kaffee in der Hand und lauschte aufmerksam der Rede.
Da sich das Podium an der anderen Saalseite befand, hatte Painter Gelegenheit, Ivar Karlsen ausgiebig zu mustern, doch dessen Leidenschaft und Ernsthaftigkeit waren selbst auf diese Entfernung unübersehbar.
»Die Reaktion der Regierungen wird zu langsam ausfallen«, fuhr Ivar fort. »Nur der private Sektor ist beweglich genug, um der Krise in angemessener Schnelligkeit und mit wirkungsvollen Innovationen zu begegnen.«
Painter musste zugeben, dass Karlsen ein wahrhaft erschreckendes Szenario entworfen hatte. Sämtliche Modelle, die er vorgestellt hatte, wiesen den gleichen Ausgang auf. Wenn das unkontrollierte Bevölkerungswachstum mit einer stagnierenden Nahrungsmittelproduktion zusammenträfe, würden bei den resultierenden Wirren neunzig Prozent der Weltbevölkerung umkommen. Anscheinend gab es nur eine Lösung, Hitlers Endlösung gar nicht so unähnlich.
»Die Geburtenkontrolle muss unverzüglich einsetzen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen, oder vielmehr war es schon gestern höchste Zeit. Die einzige Möglichkeit, die Katastrophe noch abzuwenden, besteht darin, das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen und eine Vollbremsung hinzulegen, bevor der Karren gegen die Wand fährt. Aber täuschen Sie sich nicht. Wir werden unweigerlich gegen die Wand fahren. Das ist unvermeidlich. Die Frage ist nur, ob die Insassen sterben, oder ob wir mit ein paar Schrammen davonkommen. Um der Menschheit und der Zukunft willen müssen wir jetzt handeln.«
Karlsen bedankte sich für den etwas dürftigen Applaus. Begeisterung sah anders aus. Seine Rede warf einen düsteren Schatten auf die Eröffnung des Gipfels.
Einer der Männer erhob sich und nahm Karlsens Platz am Mikrofon ein. Painter kannte den südafrikanischen Wirtschaftswissenschaftler
mit dem mürrischen Gesicht – das war Dr. Reynard Boutha, der Kopräsident
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