Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
Nase.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Antonio auf Schweizerdeutsch. Unwillkürlich hatte er zu seiner Muttersprache Zuflucht genommen. Seine Verwirrung war groß, zumal er die Frau zu kennen meinte.
Wer … ?
Ohne ihn zu beachten, schob sie sich an ihm vorbei, warf einen Blick in den Bankettsaal – dann eilte sie den Flur entlang. Offenbar hatte sie eine Verabredung verpasst.
Er beobachtete, wie sie im nächstgelegenen Treppenhaus verschwand. Mit einem irritierten Kopfschütteln wandte er sich in die andere Richtung.
Plötzlich erinnerte er sich wieder.
Ruckartig drehte er sich um.
Ausgeschlossen!
Bestimmt hatte er sich geirrt. Bisher war er der Genetikerin nur einmal begegnet, und zwar bei einer organisatorischen Besprechung im Hinblick auf das Viatus-Forschungsprojekt in Afrika. Ihren Namen hatte er vergessen, doch er war sich sicher, dass es sich um dieselbe Person handelte. Während der öden Besprechung hatte er sie die meiste Zeit über angestarrt, sie im Geiste entkleidet und sich vorgestellt, wie es wäre, über sie herzufallen.
Sie musste es sein.
Dabei war sie angeblich bei dem Massaker in Mali ums Leben gekommen. Es hatte keine Überlebenden gegeben.
Antonio blickte immer noch zum Treppenhaus. Wieso war sie hier, quicklebendig und unverletzt? Und weshalb tarnte sie sich mit Sonnenbrille, Kopftuch und Mantel?
Antonio kniff die Augen zusammen, als es ihm allmählich dämmerte. Hier ging etwas vor, wovon niemand wissen sollte, etwas, das mit Viatus zu tun hatte. Schon seit Jahren bemühte er sich, eine Handhabe gegen Ivar zu finden, die es ihm erlaubt hätte, den Schuft nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Vielleicht bot sich ihm endlich eine Gelegenheit.
Wie aber sollte er sie zu seinem Vorteil nutzen?
Antonio wandte sich ab; in seiner Vorstellung nahm ein Plan Gestalt an. Er wusste bereits, welche Karte er als Erstes ausspielen würde. Ein Mann, der bei einem Massaker seinen Sohn verloren hatte. Senator Gorman. Was würde der US-Senator davon halten, dass es eine Überlebende gab, deren Identität Ivar unter Verschluss hielt?
Mit einem grimmigen Lächeln eilte er weiter.
Der Tag hatte sich erheblich aufgehellt.
15:15
PAINTER SCHRITT DURCH das Gewölbe, das durch die Festungsmauer von Akershus führte. Obwohl es erst kurz nach drei Uhr nachmittags war, stand die Sonne aufgrund der nahezu arktischen Breite bereits tief am Himmel. Hinter dem Bogengang lag der Hafen des Fjords. Die mit Grünspan überzogenen und mit Schnee bestäubten Kanonen am Rand des Wegs wiesen aufs Meer hinaus, bereit, die Stadt gegen Kriegsschiffe zu verteidigen. Im Moment hatte jedoch lediglich ein Kreuzfahrtschiff im Hafen festgemacht.
Begleitet vom Geschrei der in der dieselgeschwängerten Luft
kreisenden Möwen, ging Painter an dem gewaltigen schwimmenden Hotel vorbei in Richtung Stadtzentrum. In der vergangenen Stunde hatte er Ivar Karlsens Bewegungen verfolgt und seine Unterhaltungen belauscht. Die Wanze bot ihm die Möglichkeit, sich intime Einblicke zu verschaffen, die sich beim morgigen Gespräch von unschätzbarem Wert erweisen könnten.
Bei den Unterhaltungen war es überwiegend um Allerweltsdinge gegangen, doch es stand vollkommen außer Zweifel, dass Karlsen sich mit Hingabe den Themen Hunger und Überbevölkerung widmete. Ihm ging es vor allem um wirksame, praktikable Lösungen für die anstehenden Probleme.
Painter hatte auch eine interessante Unterhaltung über den von Viatus entwickelten trockenheitsverträglichen Mais aufgeschnappt, der bereits auf den Versuchsfeldern in Mali getestet worden war. Seit vergangener Woche waren größere Mengen Saatgut in alle Welt unterwegs, was einen rasanten Anstieg des Aktienkurses von Viatus zur Folge gehabt hatte. Trotzdem war Ivar noch immer nicht zufrieden. Er versprach, die biogenetische Forschungsabteilung werde ihre Bemühungen fortsetzen, neue Sorten mit den gewünschten Eigenschaften zu entwickeln : insektenresistenten Weizen, kälteresistente Zitronen, unkrautvernichtende Sojabohnen. Diese Liste ließ sich endlos fortführen, bis zu einer Rübsamensorte, mit deren Öl sich biologisch abbaubarer Kunststoff herstellen ließe.
Dann aber hatte Karlsen mit einem Zitat Henry Kissingers einen düstereren Ton angeschlagen. Sein Gesprächspartner hatte wissen wollen, weshalb der Konzern seinen Forschungsschwerpunkt von petrochemischen Produkten auf gentechnisch verändertes Saatgut verlagere. Karlsen hatte frei nach Kissinger geantwortet: »Wer das Öl
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